Die Nutzung des Bahngeländes zwischen 1948 und 1951

Der Bahnhofskommandant lebte und arbeitete zuerst in einem auf Gleis 9 abgestellten Eisenbahnwaggon. Die anfangs 15 Eisenbahner wurden über eine Küche, die in einem Waggon auf Gleis 5 untergebracht war, mit Essen versorgt. Dort arbeitete ab Juni 1946 meine Großmutter als Köchin. Neben diesem Küchenwaggon stand der Bauzug für die Arbeiter auf der Bahnhofsbaustelle. Unter diesen Arbeitern waren auch ehemalige Nazis aus Berlin, die auf der Baustelle zur Strafarbeit herangezogen worden waren.

Der erste provisorische Bahnsteig für den Personenverkehr wurde laut Zeitzeugen nach dem Hochwasser 1947 aus Schlacke errichtet. Er befand sich zwischen Gleis 3 und dem Rosendamm, östlich des „Hochhaus“ genannten Wohnhauses der Reichsbahn. Nach der Fertigstellung dieses Bahnsteiges fuhr täglich ein Personenzugpaar von Berlin Schlesischer Bahnhof (heute Berlin Ostbahnhof) nach Küstrin-Kietz und zurück. Laut Angaben eines Zeitzeugen fiel mit der Einrichtung dieses Zugpaares, der „Polenzug“ weg. Dieser Bahnsteig wurde bis zur Inbetriebnahme des neuen Empfangsgebäudes genutzt.

Um 1947/48 wurde ein Raum (vom Bahnhof aus gesehen unten rechts) im „Hochhaus“ am Rosendamm 37 als Küche und ein Raum unten links (nach der Reparatur dieser Seite des Hauses) als Speisesaal genutzt. Ein Schuppen hinter dem Haus diente als Geräteschuppen, ein zweiter Schuppen mit 3 Räumen enthielt die Aufsicht, einen Raum für die Rangierer (beide waren durch eine Luke verbunden, über die die Aufsicht dem Rangierern Anweisungen geben konnte) und einen Raum für die Weichenwärter (später W8).

Vom Rosendamm aus gesehen rechts neben dem „Hochhaus“ befand sich ein Vierfamilienhaus (Rosendamm Nr. 36), dort waren in den ersten Nachkriegsjahren Büros untergebracht. Auch der Fahrdienstleiter hatte dort bis etwa 1948 seinen Sitz, dann zog er bis zur Fertigstellung des Befehlsstellwerkes B5 in das Stellwerk W4 um. Die ehemaligen Räume des Fahrdienstleiters wurden dann zwischen 1948 und ca. 1952 durch die Vermittlung genutzt. Vorher war sie in einem kleinen Holzhaus untergebracht gewesen, ab etwa 1952 zog sie in das Obergeschoss des neuen Empfangsgebäudes. Das Haus Rosendamm 36 wurde später abgerissen.

Am späteren Standort des Wasserturms wurden um 1947/48 zwei Baracken errichtet: Die vom Bahnübergang aus gesehene erste Baracke war für den Wagendienst und die Güterabfertigung, die Zweite daneben wurde von der Bahnhofskommandantur genutzt. Dieses Gelände am Rosendamm stellte in den ersten Nachkriegsjahren das Zentrum des Küstrin-Kietzer Bahnhofs dar.

Anfangs erfolgte das bekohlen der Dampfloks noch manuell: Man schippte die Kohle auf eine Plattform, danach auf den Tender der Lok und von dort aus schließlich in den Kohlespeicher. Mit einer alten Feuerwehrpumpe samt Schlauch wurden die Loks in der ersten Zeit mit Wasser versorgt. Diese Pumpe befand sich zwischen den Gleisen 1 und 10. Der folgende Plan zeigt die Nutzung des Bahngeländes:

Bahnhof Kietz 1948Bild 9: Nutzung des Bahngeländes nach dem Krieg (Quelle: Andy Steinhauf)

Legende zu Bild 9:

B1: 1947/48 errichtete Baracke, Sitz des Wagendienstes (bis 1950) und der Güterabfertigung
B2: 1947/48 errichtete Baracke, Sitz des Bahnhofskommandanten
EG: Empfangsgebäude, zerstört
FB: Fußgängerbrücke über die Frankfurter Gleise; Eisenkonstruktion aus der Vorkriegszeit; Außer Berieb.
H: „Hochhaus“ genanntes Wohnhaus der Reichsbahn am Rosendamm 37. Es war 1950/51 auch Sitz der Bahnmeisterei.
H1: nach Beseitigung der Kriegsschäden bis zur Eröffnung des Kulturhauses 1955 als Speiseraum genutzt
H2: Küche, etwa zwischen 1947/48 und 1955
H3: Geräteschuppen
H4: Schuppen mit mit 3 Räumen für die Aufsicht, die Rangierer und die Weichenwärter (später Stellwerk W8)
Kwt: Stellwerk, später W4
Kst: Stellwerk, später Schrankenposten 1
Ky: Stellwerk, später B5
R: Laderampe
V: Vierfamilienhaus der Reichsbahn am Rosendamm 36 mit Büros; bis 1948 Sitz des Fahrdienstleiters; zwischen 1948 und 1952 Sitz der Vermittlung
W: Waage an der Bahnhofszufahrt
Wag1: Waggon, in dem der Bahnhofskommandant 1946/47 lebte und arbeitete
Baracke(n) am Gleis 9: Diese Baracke(n) diente(n) zuerst als Wohnung für Eisenbahner und ab 1950 als Ausbildungsräume für die Lehrlinge. Später hatte dort auch die Zweigstelle der Intercontrol GmbH ihren Sitz.

Am Rosendamm kaufte die Deutsche Reichsbahn Ende 1950 ein Teil des Grundstücks von Bauer Otto Reichert und errichtete dort ein Plumpsklo für die Mitarbeiter. Eines Tages wurde dort beim Leeren eine besondere Hinterlassenschaft herausgefischt: eine Pistole, die wahrscheinlich ein sowjetischer Soldat dort verloren hatte.

Die Zufahrtsstraße zum Bahnhof samt Bahnübergang blieb in Betrieb, die eiserne Fußgängerbrücke aus der Vorkriegszeit war aufgrund von Beschädigungen nicht mehr nutzbar. Neben der Bahnhofszufahrt, in der Nähe der Karl-Marx-Straße, war aus der Vorkriegszeit eine Waage erhalten geblieben, die z.B. von den Bauern der Umgebung rege genutzt wurde, um ihre Ernte zu wiegen, bevor sie verladen wurde. Als die alte Bahnhofszufahrt geschlossen wurde, wurde auch diese Waage abgebaut. Die noch heute existierende Verlängerung der Ladestraße bis zum schwarzen Weg gab es damals noch nicht. Die 3 Stellwerke des Küstrin-Kietzer Bahnhofs Kwt (W4), Kst (Schrankenposten 1) und Ky (B5) hatten den Krieg (stark) beschädigt überstanden und wurden wieder aufgebaut. Die Kellerräume des ehemaligen Stellwerkes Ksa an der Odervorflutbrücke dienten bis zu dessen Abriss aber nur noch als Aufenthaltsräume der Schrankenwärter vom Schrankenposten 60 (Bahnübergang an der Vorflutbrücke). Als Ersatz für diese Räumlichkeiten wurde später eine kleine Holzbude - wie auf Bild 24 zu sehen - aufgestellt. Etwas weiter westlich vom  ehemaligen Standort des Stellwerks Ksa entfernt, wurde dann das Stellwerk W6 errichtet.

W6Bild 10: Stellwerk W6 (Quelle: Archiv Andy Steinhauf)
Haus Schmidt WilhelmstrasseBild 11: Haus der Familie Schmidt in der Wilhelmstraße, rechts im Hintergrund das neue Empfangsgebäude (Quelle: Archiv Andy Steinhauf)
 

Eines der wenigen nach dem Krieg noch (gut) erhaltenen Häuser in der Wilhelmstraße, das Haus von Familie Schmidt (siehe Bild 11), wurde auch als Übernachtungsmöglichkeit für Zugbegleiter benutzt. Die Eigentümer wurden, damit sie das Haus regelmäßig beheizen konnten, vom Bahnhof mit Kohlen versorgt.