Nur ein Ereignis in der Geschichte von Küstrin-Kietz suchte den Ort häufiger heim als der Wechsel des Standortes (zweimal) und der Wiederaufbau nach Feuersbrünsten und Krieg (viermal) – die Umbenennung des Ortes.
Im Jahre 1954 begann die kurze, aber doch seit vielen Jahren im Dunkeln liegende Geschichte von Friedensfelde. In den letzten Jahrzehnten wurde von verschiedenen Personen versucht, diesen Teil der Küstrin-Kietzer Geschichte zu erhellen und den genauen Ablauf der zwei politisch motivierten Umbenennungen im Jahre 1954 darzustellen. Aufgrund der doch sehr lückenhaften Aktenlage und sich teils widersprechenden Zeitzeugenberichten, war das jedoch sehr schwierig. Zu den Forschern zählen unter anderem die Herren Rudi Vogt und Günter Naumann, beide sind ebenfalls Mitglieder des Vereins für die Geschichte Küstrins e.V. Rudi Vogt schrieb die Geschichte der Umbenennungen aus seiner Erinnerung auf:
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Von Küstrin zu Küstriner Vorland, eine Leidensgeschichte, Königsberger Kreiskalender, 2000 (auch auf der Website des Vereins für die Geschichte Küstrins e.V. verfügbar) 1
Günter Naumann begann 2002 mit seinen Recherchen und schrieb dazu diverse Archive und Institutionen an, das Ergebnis seiner Recherchen fasste er in zwei Artikeln zusammen:
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„Was denn, Sie kennen „Küstfelde“ nicht - Wie ein Ort seinen Namen verlor und ihn wieder zurück erhielt“, Märkische Zeitung, 2003
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„Wo liegt Küstfelde?“, bebilderter Artikel im „Brandenburger Bote“, Heft 52 (Organ des Landesverbandes der Philatelisten Brandenburgs e.V.), Mai 2006
Doch es blieben viele Fragen offen, die auch in den folgenden Jahren nicht beantwortet werden konnten. Zu diesen Fragen gehörten unter anderem:
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Warum wurde der Ort nach kurzer Zeit erneut umbenannt ?
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Wer war für diese zweite Umbenennung verantwortlich ?
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Wie lange hieß der Ort wirklich Friedensfelde ?
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Ab wann hieß der Ort nur noch Kietz ?
Es gibt Zeitzeugen, die von Formfehlern als Grund für die zweite Umbenennung 1954 sprechen; in der Wikipedia (Stand: 28.06.2017) liest man jedoch: „1954 wurde der Ort für wenige Monate auf Initiative der Ortsgruppe der SED, unter hauptsächlicher Verantwortung des damaligen Bürgermeisters Karl Schimmeyer, in Friedensfelde umbenannt. Dieser Name konnte sich jedoch in der Bevölkerung nicht durchsetzen, außerdem gab es Einwände seitens der Deutschen Reichsbahn. Aus diesem Grund erfolgte bereits im Herbst desselben Jahres eine erneute Umbenennung des Ortes, diesmal von Friedensfelde in Kietz.“ Beides ist jedoch so nicht richtig. Die eigentliche Initiative zur Umbenennung des Ortes ging nicht von der Ortsgruppe der SED aus, sondern von der Kreisleitung der SED in Seelow. Grund für die zweite Umbenennung war kein Formfehler (wie Zeitzeugen berichten), sondern die generelle Rückgängigmachung von örtlich beschlossenen Umbenennungen, da eine staatliche Verordnung dazu in Arbeit war. Dazu aber später mehr.
Nachdem mir Herr Naumann seine bisherigen Recherche-Ergebnisse und die dazugehörige Korrespondenz zugeschickt hatte, begann ich auch, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Lange Zeit leider ohne Erfolg, denn Anfragen an weitere Archive wurden meist negativ beantwortet. Doch das Schicksal sollte sich bei Arbeiten im Archiv des Vereins für die Geschichte Küstrins e.V. am 27. Januar 2017 wenden. Beim sortieren eines Stapels loser Kopien fiel mir eine auf den ersten Blick unscheinbare Kopie eines mir bis dahin unbekannten Schriftstückes der Deutschen Reichsbahn vom 20. August 1954 2 in die Hände. Diese zwei A4-Seiten stellten sich nach einigen Minuten als das Puzzleteil heraus, welches in diesem Rätsel der Ortsgeschichte bisher fehlte. Damit lassen sich nun die Ereignisse des Jahres 1954 bis Ende August rekonstruieren. Eingeschlossen in die folgende Chronik der Ereignisse sind hier auch die Umbenennungen des Bahnhofs und die Eingliederung des Ortes in den Kreis Lebus:
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15. März 1946: Küstrin-Kietz, Bleyen sowie die Kalenziger und Klewitzer Wiesen, die bis dahin zum Kreis Königsberg/Nm. gehörten, werden nach einer Entscheidung der Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg vom 25. Januar 1946 mit Wirkung dieses Tages in den Kreis Lebus eingegliedert.
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01. Januar 1948: Spätestens ab diesem Tag trägt der Ort laut offiziellen Quellen 3,4,5,6 den Namen „Kietz b Küstrin“. Einzelne Postbelege trugen den Stempel „Kietz bei Küstrin“ bereits seit etwa Juni/Juli 1946, ansonsten hat sich diese Schreibweise scheinbar im täglichen Leben aber nicht durchsetzen können. Die Post war sich bei der Schreibweise des Ortsnamens aber auch nicht sicher, welche denn die Richtige sei: Ein Einschreiben vom Dezember 1946 trägt den Poststempel „Küstrin-Kietz“ und einen R-Zettel mit dem Stempel „Kietz bei Küstrin“. Viele, auch von staatlichen Stellen, wie zum Beispiel der Handwerkskammer, der Deutschen Reichsbahn oder dem Amtsgericht Seelow ausgestellte Dokumente aus der Zeit tragen noch den Namen Küstrin-Kietz. Noch im Jahr 1954 wird im Fernsprechbuch des Bezirkes Frankfurt (Oder) – ebenfalls abweichend vom amtlichen Namen – der Ort Küstrin-Kietz genannt. Branchenadressbücher aus der Zeit um 1948 nennen den Ort mal Kietz und mal Küstrin-Kietz 7, auch dort ist keine einheitliche Linie zu erkennen.
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1952: Dieses Jahr nennen diverse Quellen übereinstimmend bei der Umbenennung des Bahnhofes für den Personenverkehr in „Kietz“ - ohne ein genaues Datum zu nennen. Dies lässt sich anhand der Kursbücher der Deutschen Reichsbahn (nachgeprüft in den Ausgaben Sommer 1952 bis Winter 1953/54) aber nicht belegen und mit dem Schreiben der DR letztendlich widerlegen.
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29. Dezember 1953: Bis zu diesem Datum tragen die nur lückenhaft erhaltenen Protokolle der Gemeindevertretersitzungen 10, abweichend vom amtlichen Namen, den Namen Küstrin-Kietz.
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15. März 1954: Die RBD (Reichsbahndirektion) Berlin erhielt die Information, dass die Kreisleitung der SED des Kreises Seelow die Änderung des Ortsnamens in „Kietz“ beim Bürgermeister und auch bei der Presse veranlasst habe. Auch die Reichsbahn sollte nun alles in die Wege leiten, um den Bahnhof ebenfalls komplett in „Kietz“ umzubenennen. Die Bahn drängte auf die Durchführung der Namensänderung, um den neuen Namen noch mit in den Sommerfahrplan 1954 aufnehmen zu können.
Mit diesem Schreiben forderte die Kreisleitung eigentlich nur die Nutzung des bereits seit einigen Jahren gültigen amtlichen Namens vor Ort ein. -
27. März 1954: An diesem Samstag um 20 Uhr wurde durch die Nationale Front des demokratischen Deutschland, Kreisausschuss Seelow im Volkshaus in Küstrin-Kietz eine öffentliche Parteiversammlung zur Namensänderung einberufen. Die Einwohner wurden mittels eines Flugblatts darüber informiert. Beim Volkshaus handelt es sich übrigens um die frühere Turnhalle und heutige Feuerwehr in Küstrin-Kietz. Man wollte, das ergibt sich aus dem Flugblatt 8, die Gegner der Umbenennung diffamieren und stellte sie als „Helfer des Adenauer-Regimes“, „Kriegshetzer“ und „Gegner der Oder-Neiße-Friedensgrenze“ dar. Anstatt wie von Seelow vorgeschlagen, nur „Küstrin“ aus dem Namen zu tilgen, schlug man die Änderung in „Friedensfelde“ vor.
Flyer zur Umbenennung von Kietz in Friedensfelde von 1954 (Quelle: Archiv des Verein für die Geschichte Küstrins e.V.)
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Die Tageszeitung „Neuer Tag“ veröffentlichte am 14. April 1954 9 einen Artikel dazu: „Anhand geschichtlicher Tatsachen des deutschen sowie des polnischen Volkes wies Genosse Stahl nach, daß es sich bei der Forderung des Namens Küstrin-Kietz ganz klar um ein Argument der Feinde unserer Republik handelt.“ Die Zeitung schlägt hier also in die gleiche Kerbe wie die Autoren des Flugblatts und diffamieren damit die Gegner der Umbenennung. „Im Verlauf der Versammlung [...]“, heißt es im Artikel, „[...] brachte ein Vertreter der LPG Walter Ulbricht, Genossenschaftsbauer Koltermann den Vorschlag aller Genossenschaftsmitglieder auf Abänderung des Namens 'Kietz' in 'Friedensfeld'.“ Vertreter der Eisenbahn, der Schule und der Dorfparteiorganisation sprachen sich ebenfalls für diesen Vorschlag aus. Einige Einwohner waren laut des Zeitungsartikels jedoch nicht einverstanden und schlugen vor, dem Namen noch ein „e“ anzuhängen. Über Gegenstimmen zur Umbenennung an sich, berichtet die Zeitung – erwartungsgemäß – aber nicht.
Es wurde anschließend eine außerordentliche Gemeindevertretersitzung einberufen, an der laut Protokoll 10 der 14 Gemeindevertreter anwesend waren. Unter Vorsitz von Bürgermeister Karl Schimmeyer wurde einstimmig beschlossen, dem Kreistag „den Vorschlag der Namensänderung Kietz in Friedensfelde vorzuschlagen.“ Weiter heißt es: „Aus Anlaß dieses denkwürdigen Tages fand am Anschluß hieran ein Volksfest im Kultursaal statt.“ Alten Küstrinern und Küstrin-Kietzern war zu diesem Zeitpunkt sicher nicht nach feiern zumute, den beteiligten Genossen aber wohl schon.
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02. April 1954: Der Kreistag in Seelow stimmt dem Vorschlag der Gemeinde zur Umbenennung in „Friedensfelde“ zu.
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08. April 1954: Das älteste bekannte Dokument mit dem Ortsstempel „Friedensfelde“ (ein Gemeindesteuerbescheid 8) stammt von diesem Tag. Die Umsetzung der Umbenennung erfolgte vor Ort also noch vor der Zustimmung des Rates des Bezirkes.
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09. April 1954: Der Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder) stimmt ebenfalls der Umbenennung in Friedensfelde zu 2.
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27. April 1954: Ein Protokoll der Gemeindevertretersitzung 10 trägt zum ersten Mal den Ortsnamen Friedensfelde.
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23. Mai 1954: Der Sommerfahrplan der DR wird eingeführt, jedoch liegt der Deutschen Reichsbahn bis dahin immer noch keine Bestätigung des Vorschlages der Umbenennung in Friedensfelde vor. Der Bahnhof wird in diesem Kursbuch für den Personenverkehr erstmals nur noch Kietz genannt. Dies widerspricht den Quellen, die das Jahr 1952 als Zeitpunkt dieser Umbenennung angeben. Daß die Jahresangabe 1952 falsch ist, zeigen auch die folgenden zwei Zitate des bereits genannten Schreibens der Deutschen Reichsbahn 2:
„Am 15.3.1954 erschien der Gruppenleiter Organisation des Reichsbahnamtes Berlin 7 und erklärte, daß die Kreisleitung der SED des Kreises Seelow die Änderung des Ortsnamens Küstrin-Kietz in „Kietz“ beim Bürgermeister und bei der Presse veranlaßt habe. Das Rba Berlin 7 wurde daher ebenfalls ersucht, auch von Seiten der Deutschen Reichsbahn Maßnahmen zur Umbenennung des Bahnhofes zu ergreifen.“
„Da jedoch vor der Drucklegung Sommerfahrplanes 1954 […] keine Entscheidung hinsichtlich der endgültigen Bezeichnung der Gemeinde herbeigeführt werden konnte […] , wurde zunächst die Bezeichnung „Kietz“ in den Fahrplänen, Kursbüchern u dgl aufgenommen.“
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28. Mai 1954: Das Protokoll der Gemeindevertretersitzung 10 trägt den Ortsnamen Friedensfelde.
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03. Juli 1954: Die Zeugnisse der örtlichen Schule 11 tragen den Namen Friedensfelde. Auch dort wurde versucht, den Namen „Friedensfelde“ durchzusetzen, besonders wohl auch durch einen Lehrer namens Joachim Sauer. Spätere Dokumente mit der Ortsangabe Friedensfelde sind mir nicht bekannt.
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Juli / August 1954: Das Staatssekretariat für innere Angelegenheiten in Berlin lehnt die Umbenennung der Gemeinde ab. Ein Gesetzentwurf über die Änderung von Gemeindenamen werde vorbereitet und solle dem Ministerrat der DDR zum Beschluss vorgelegt werden. Mit diesem Beschluss rechnete man jedoch frühestens Ende des Jahres 1954. Bis zum Beschluss des Gesetzes sollten keine Umbenennungen von Gemeinden mehr vorgenommen werden, bereits örtlich durchgeführte Namensänderungen wurden für unwirksam erklärt. 2
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20. August 1954: Datum des bereits erwähnten Schreibens der Deutschen Reichsbahn 2. Der Ort heißt offiziell, laut dem gültigen Gemeindeverzeichnis (Januar 1953), noch immer „Kietz b Küstrin“. Das Schreiben der DR fasst die damalige Situation so zusammen:
a) Nach dem vorgenannten maßgebenden Gemeindeverzeichnis hat die Gemeinde den amtlichen Namen „Kietz b Küstrin“
b) Die Gemeinde selbst nennt sich jedoch nur „Kietz“ ohne weiteren Zusatz
c) Die an den Straßen befindlichen Orts- und Richtungsschilder sind ebenfalls nur mit „Kietz“ beschriftet
d) Auf Grund der eingangs geschilderten Maßnahmen heißt der ehemalige Bahnhof Küstrin=Kietz für den Reiseverkehr „Kietz“ und für den Güterverkehr noch Küstrin=Kietz
e) Außerdem besteht noch ein Tarifberechnungspunkt mit dem Namen Küstrin Altstadt
Die Deutsche Reichsbahn schloss sich der Meinung der Gemeinde an, den Zusatz „b Küstrin“ ersatzlos zu streichen, da es, Zitat „keinen Ort Küstrin im Gebiet der DDR gibt“. Der Bahnhof solle auch für den Güterverkehr in Kietz umbenannt werden und der Tarifberechnungspunkt Küstrin Altstadt den Namen „Kietz Grenze“ erhalten. Die Gemeinde hatte sich also laut dieses Schreibens bereits wieder vom Namen „Friedensfelde“ verabschiedet und befürwortete nun „Kietz“.
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03. Oktober 1954: Mit Inkrafttreten des Winterfahrplans 1954/55 wird der Bahnhof nun auch für den Güterverkehr in Kietz und der Tarifberechnungspunkt Küstrin Altstadt in „Kietz Grenze“ umbenannt 12. Ein ehemaliger Reichsbahnlehrling aus Lebus erinnert sich an die Umbenennung: „1954 war ich als Lehrling auf dem Bahnhof Küstrin-Kietz als unsere Gruppe zu Achim Welke gerufen wurde. Er erklärte uns den Umgang mit Rasierklingen - dann brachte er viele Stempel und wir schnitten "Küstrin" einfach raus.“
Die Verwirrung scheint – auch bei staatlichen Stellen – sehr groß gewesen zu sein. Ein Schreiben der Deutschen Reichsbahn bezüglich der Erweiterung des Grenzbahnhofes vom 04. November 1954 13 trägt den Betreff: „Ihr Grundstück in Küstrin Krs. Seelow – Unser Bauvorhaben Kietz“:
Bild: Briefköpfe zweier Schreiben der Deutschen Reichsbahn von 1954 (Quelle: Archiv Andy Steinhauf)
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19. Januar 1955: Im „Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik“, Nr. 5/1955 14 wird die am 06. Januar 1955 verabschiedete „Verordnung über die Bearbeitung und Entscheidung von Anträgen auf Änderung von Bezirks-, Kreis- und Gemeindegrenzen und Umbenennung von Gemeinden“ veröffentlicht: Während dort Umgemeindungen (Änderung der Gemeindezugehörigkeit von Ortsteilen) im Detail geregelt sind, findet sich zur Umbenennung von Orten nur folgender Absatz:
„§6 Abs. 3: Alle territorialen Veränderungen und Änderung von Ortsnamen sind in der Regel nur bei Beginn eines Planjahres durchzuführen.“
Diese Verordnung trat am 01. Februar 1955 in Kraft. Die erste Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung vom 28. April 1955 ergänzt:
„§5: Um die ordnungsgemäße Durchführung der nach §6 Abs. 3 der Verordnung in der Regel mit Beginn des Planjahres in Kraft tretenden territorialen Veränderungen zu gewährleisten, sind alle Vorarbeiten zur Prüfung und Entscheidung der Anträge so rechtzeitig zu leisten, daß die Beschlußfassung durch das endgültig beschließende Organ vor Abschluß des III. Quartals der vorhergehenden Jahres erfolgen kann.“
Damit wäre die Streichung des Namensteils „b. Küstrin“ - wenn man sich wörtlich an die Verordnung hält – frühestens zum Jahresanfang 1956 möglich.
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01. Januar 1957: Der Ort heißt laut amtlichen Quellen noch immer „Kietz b. Küstrin“ 15,16
Weder das Ortsverzeichnis, Stand 01. Januar 1956, noch dessen Nachtrag vom 01. Januar 1957 enthalten eine Änderung.Am 14. und 21. Dezember 1956 hatte sich der Ministerrat der DDR mit Änderungen der Bezirks- bzw. Kreiszugehörigkeit, der Umbenennung sowie der Zusammenfassung und Trennung von Gemeinden beschäftigt. An beiden Terminen wurde kein Beschluss zur Streichung des Zusatzes „b Küstrin“ gefasst 17,18.Weitere Beschlüsse zu diesem Thema lassen sich im Gesetzblatt des Jahres 1957 nicht finden.
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Mitte 1957: Das Ortslexikon der Deutschen Demokratischen Republik, Ausgabe 1957 19, nennt den Ort erstmalig nur noch Kietz mit dem Zusatz „über Seelow“. Die Indizien weisen darauf hin, daß die Streichung des Zusatzes „b Küstrin“ auf lokaler Ebene (also auf Gemeinde-, Kreis- und/oder Bezirksebene) beschlossen wurde.
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1959: Der in diesem Jahr vom Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder), Abteilung Volksbildung veröffentlichte "Wander-Katalog des Bezirkes Frankfurt (Oder)" setzt der Verwirrung um die Schreibweise des Ortsnamens die Krone auf: Man findet darin alle 3 Schreibweisen - Küstrin-Kietz, Kietz bei Küstrin und Kietz. Das Heft "Vom Bild zur Karte", ein Schulbuch für die dritten und vierten Klassen in der Ausgabe für die Bezirke Potsdam, Frankfurt und Cottbus (Redaktionsschluß 15. Januar 1959) verzeichnet auf 3 der abgedruckten Karten den Ort als "Küstrin" und einmal als "Küstrin-Kietz".
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03. Oktober 1991: An diesem Tag erhielten der Ort und der Bahnhof nach teils kontroversen Diskussionen und einer Volksbefragung mit der sechsten Umbenennung ihren Namen „Küstrin-Kietz“ zurück. Auch diesen bisher letzten Akt möchte ich nur am Rande erwähnen und empfehle dazu den Artikel „Küstrin-Kietz - Ein Name kehrt zurück“ im Königsberger Kreiskalender von 1993 (auch auf der Website des Vereins für die Geschichte Küstrins e.V. verfügbar) 20.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar der Kreis Seelow und der Bezirk Frankfurt (Oder) der Umbenennung in Friedensfelde zugestimmt haben, der Name Friedensfelde aber nie der amtliche Name der Gemeinde war. Dieser Name wurde nur drei bis viereinhalb Monate lang lokal benutzt.
Das waren nun eine Menge Daten und Fakten, darum möchte ich die Namen des Ortes abschließend noch einmal in Kurzform wiedergeben:
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ab 01.10.1929 Küstrin-Kietz
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spätestens ab 01.01.1948 Kietz b. Küstrin
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ab 09.04.1954 Friedensfelde (nicht-amtlich)
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zw. 04.07. und 19.08.1954 wieder Kietz b Küstrin
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ab Mitte 1957 Kietz
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seit 03.10.1991 Küstrin-Kietz
Quellen:
1 Von Küstrin zu Küstriner Vorland, eine Leidensgeschichte, Rudi Vogt, www.vfdgkuestrins.de/texts/k-kietz.html
2 Schreiben der RBD Berlin an das Ministerium für Eisenbahnwesen, Gruppe Organisation und Stellenpläne, Kopie aus dem Bundesarchiv
3 Volks- und Berufszählung vom 19. Oktober 1946 in der sowjetischen Besatzungszone, Band I: Amtliches Gemeindeverzeichnis (Gebietsstand der Kreise und Gemeinden: 01.01.1948), Original im Bundesarchiv, Berlin
4 Systematisches Verzeichnis der Gemeinden der Deutschen Demokratischen Republik, Gebietsstand 31.08.1950, Ministerium für Planung – Statistisches Zentralamt (Berlin)
5 Systematisches und alphabetisches Verzeichnis der Gemeinden der Deutschen Demokratischen Republik, Regierung der Deutschen Demokratischen Republik - Statistisches Zentralamt, März 1952. Original im Archiv des Autors
6 Systematisches und alphabetisches Verzeichnis der Gemeinden der Deutschen Demokratischen Republik, Regierung der Deutschen Demokratischen Republik - Staatliche Zentralverwaltung für Statistik bei der staatlichen Plankommission, Januar 1953. Original im Archiv des Autors
7 BAB Branchenadressbuch des Landes Brandenburg, 1948 und Land Brandenburgisches Adressbuch ca. 1947/48. Originale im Archiv des Autors
8 Original im Archiv des Vereins für die Geschichte Küstrins e.V. Eine Kopie ist im Museum des Vereins im Kulturhaus in Küstrin-Kietz zu sehen
9 Original im Archiv des Verein für die Geschichte Küstrins e.V.
10 Original im Kreisarchiv Märkisch-Oderland in Seelow
11 Auskunft durch Heidemarie Lehmann
13 Original von Günter Naumann, jetzt im Archiv des Autors
14 Scans aus dem Bundesarchiv
15 Verzeichnis der Gemeinden und Ortsteile der Deutschen Demokratischen Republik, VEB Deutscher Zentralverlag, Stand 01.01.1956. Original im Archiv des Autors
16 Nachtrag zum Verzeichnis der Gemeinden und Ortsteile der Deutschen Demokratischen Republik, VEB Deutscher Zentralverlag, Stand 01.01.1957. Original im Archiv des Autors
17 Gesetzblatt der DDR 1957/Teil 1 Nr. 1 vom 08.01.1957, Kopie aus dem Bundesarchiv
18 Gesetzblatt der DDR 1957/Teil 1 Nr. 24 vom 28.03.1957, Kopie aus dem Bundesarchiv
19 Ortslexikon der Deutschen Demokratischen Republik, Ausgabe 1957, VEB Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Original im Archiv des Autors
20 Küstrin-Kietz-Ein Name kehrt zurück, www.vfdgkuestrins.de/texts/kk-back.html