Viele werden sich unter dem Begriff "Lyzeum" nichts mehr vorstellen können, darum möchte ich mit einem Zitat aus der Wikipedia* beginnen:
Ende des 19. Jahrhunderts nennt man dann im Deutschsprachigen schon ausdrücklich die Höhere Töchterschule, eine Mädchenschule, die die bisher nicht vorhandene höhere Bildung für weibliche Schüler ergänzt, "Lyzeum", um sie vom "Gymnasium" der Knaben, das sich ja auch auf sportliche Ertüchtigung im Sinne "gesunder Körper und gesunder Geist (Mens sana in corpore sano) bezieht - und Mädchensport war bis in die 1910er-Jahre undenkbar, allein schon wegen der Kleiderordnung, vom unzüchtigen Bezug auf Nacktheit ganz abgesehen. Der Name findet sich daher als Schulname für etliche Mädchengymnasien.
Das Städtische Lyzeum wurde 1794 als "Knauertsche Privat-Töchterschule" gegründet. Die Schule war vierklassig, jede dieser Klassen war zweijährig. Neben dem Schulgeld mussten die Eltern auch einen monatlichen Obulus für Schreibmaterialien, die Bibiliothek und Lehrmittel bezahlen, im Winter kam noch Holzgeld dazu. 1836 wurde die Schule durch die Stadt übernommen.
Am 21.Oktober 1855 wurde das neue Schulgebäude eingeweiht, das neben der Höheren Töchterschule auch die Elementarschule für Mädchen beherbergte. Das dreistöckige Gebäude befand sich in der Schulstraße und war nur über einen Durchgang in dem Haus zu erreichen, in dem Friedrich der Große nach seiner Festungshaft einige Zeit wohnte.Schon 1867 musste die Höhere Töchterschule das Gebäude dem Gymnasium zur Verfügung stellen und umziehen.
Zeitraum | Anzahl der Klassen | Dauer des Schulbesuchs |
---|---|---|
ab 1794 | 4 | 8 Jahre |
ab ca. 1855 bis 1869 | 5 | |
ab 1869 | 6 | |
ab 1873 | 7 | 10 Jahre |
ab 1884 | 7 | 9 Jahre |
ab 1907 | wieder 10 Jahre* |
* Im Artikel steht: "1907 wurde die 9klassige Schule wieder 10klassig". Davor war nur von Jahren gesprochen worden.
Im Jahr 1876 wurde der Turnunterricht als freiwilliger "Privatkurs" eingeführt, ab 1887 war der Turnunterricht Regelfach. 1894 wurden in Preußen zum ersten Mal gesetzliche Vorschriften und ein Lehrplan für Höhere Mädchenschulen erlassen. Erst 1908 erfolgten neue Vorschriften, dabei wurden die Mädchenschulen den Knabenschulen angeglichen. Im Rahmen dieser Veränderungen übernahm die Höhere Mädchenschule 1908 die "Richtersche Privatschule" in der küstriner Neustadt.
Die "Richtersche Privatschule" wurde 1876 gegründet und befand sich bis Oktober 1915 in der Landsberger Str. 2, danach aus Platzgründen in der Plantagenstraße 8 (Bankhaus Puppe).
Auch nach dem Zusammenschluß der beiden Schulen blieben beide Standorte erhalten. Vier Klassen sollten in der Neustadt verbleiben. Die dadurch entstandene Schule wurde am 1.7.1911 wieder als Höhere Mädchenschule anerkannt, seit 1.2.1912 trug die Schule dann den Namen "Lyzeum".
Auch am Lyzeum musste Schulgeld bezahlt werden. Anfangs richtete sich der Betrag nach den Klassenstufen (Klassen X-VII und VII-I), später war er für alle Klassen einheitlich. Auswärtige zahlten immer mehr als Einheimische.
Am 18.3.1914 wurde aufgrund der Forschungen von Prof. Dr. Fredrich (Gymnasialdirektor und Vorsitzender des Vereins für die Geschichte Küstrins) am Lehrerhaus (Schulstraße 51, eigentlich wohl 50a), eine durch die Firma Schmah angefertigte Marmortafel mit der folgenden Inschrift angebracht:
An dieser Stelle wohnte Friedrich d. Gr. als Kronprinz vom 19.November 1730 bis zum 26. Februar 1732.
Nur durch einen Durchgang in diesem Haus war das Schulgebäude zu erreichen. Am 21.3.1914, dem 100. Jahrestag der Befreiung Küstrin von den Franzosen, nahmen alle Schülerinnen und Lehrer an der Einweihung des Denkmals für Leutnant Wilhelm von Falkenhayn an der Odervorflutbrücke (ehem. Torschreiberbrücke) teil. Leutnant von Falkenhayn war am 31.10.1806 bei der Verteidigung der Stadt gefallen.
Die ersten Tag nach der Mobilmachung am 1.8.1914 fand der Unterricht nur unregelmäßig statt, viele Schülerinnen halfen bei der Ernte oder versorgten die um die Festung verteilten Aussenposten mit Erfrischungen. Erst am 10. August wurde der reguläre Unterricht wieder aufgenommen. Einige Schülerinnen von Ausserhalb konnten jedoch nicht gleich wieder daran Teilnehmen, da die Eisenbahn nur vom Militär genutzt wurde.
Von den Lehrern wurde dabei nur der Oberlehrer Langenberg als Vizefeldwebel und Offiziersstellvertreter in die Landwehr einberufen. Einige seiner Kollegen übernahmen seine Fächer, um aber eine Überlastung der übrigen Lehrer zu verhindern, wurde der wissenschaftliche Unterricht um eine Stunde gekürzt. Dieser Zustand änderte sich erst nach Michaelis (29. September) wieder, als Oberpfarrer Janke und Dr. Lamla (wissenschaftl. Hilfslehrer am Kgl. Gynmasium) einzelne Fächer übernahmen.
Lehrerin Fräulein Holäufer richtete im Konferenzzimmer des Lyzeum eine Nächstube ein, in der mit Untstützung von Cüstriner Frauen und ehemaligen Schülerinnen vieles für die Front (wie. z.B. Militärhemden) genäht wurde. Immer wieder wurden nach Anweisung des "Oberbefehlhabers in den Marken" Siegesfeiern in der Schule abgehalten.
Im Schuljahr 1924/1925 gab es nur noch zwei Klassen in der Neustadt, die unteren Klassen waren eingegangen. Viele Lehrer mussten in beiden Standorten unterrichten und pendelten zwischen Alt- und Neustadt hin und her. Dabei ging viel Zeit verloren und die Stundenpläne wurden für die Schülerinnen ungünstiger.
Zeitraum | Name des Rektors / Direktors (ab 1895) |
---|---|
ab 1794 | Kantor Knauert (Gründer der Schule) |
... | unbekannt |
ab 1851 | Nigmann |
ab 1869 | Schultze |
ab 1878 | Lenz |
1896 bis 1899 | Matzdorff |
1900 bis 1923 | Dr. G. Haase |
1923 bis mindestens 1940 | Adolf Burucker |
Die Schule gehörte der "Schulfilmgesellschaft der Cüstriner Schulen" an, durch deren Zusammenschluß es möglich war, dass die Schulen die Vorführung von Lehrfilmen - ohne geschäftliche Interessen berücksichtigen zu müssen - selbst organsieren konnten. Seit 1.4.1925 gehörten alle Schülerinnen der Jugend-Unfallversicherung an. Diese Versicherung wurde von der Stadt ermöglicht, versichert waren alle von der Schule organisierten Sportübungen und Wanderungen. Ab 1.1.1927 konnten die Klassen der Schule das Friedrichszimmer im Schloß kostenlos besichtigen, da die Stadt dem Verein für die Geschichte Küstrins dafür eine Pauschale zahlte.
Erst im Schuljahr 1929/30 bekam der zweite Stock des Schulgebäudes elektrischen Strom. Für das Nadelarbeitszimmer wurden danach zwei elektrische Nähmaschinen angeschafft. 1931 wurde die Schule zur Mädchen-Oberschule und zog in die Landsberger Straße 100a.
Im Schuljahr 1931/32 wurde das als Sportplatz gepachtete Gelände am Schulhaus mit einem Zaun versehen. Die Einebnung sollte im darauf folgenden Schuljahr erfolgen. Aufgrund eines Sparerlasses vom 14.9.1931 fiel in der Schule eine Studienratstelle und eine halbe Stelle für technische Fächer weg. Dies konnte jedoch ausgeglichen werden. Die Lehrerinnen Münster (Zeichnen) und Zigelsky (Nadelarbeit) mussten auch in der küstriner Pestalozzi-Schule unterrichten, um auch nur annähernd ihre Pflichtstunden zu erreichen.
Der Sportplatz erhielt 1932/33 einen Wasseranschluß. Aufgrund der Mittelkürzungen konnten keine neuen Unterrichtsmittel angeschafft werden. Bei der 700-Jahr-Feier der Stadt nahmen die Schülerinnen am Sportfest der küstriner Schulen teil. Den Wandertag im September 1932 bekamen die Schülerinnen frei, um ein rund um die Stadt stattfindendes Manöver beobachten zu können.
Die Klasse UII unternahm im Schuljahr 1933/34 eine einwöchige Lehrreise nach Danzig. Die noch im letzten Schuljahr stattgefundenen schulärztlichen Untersuchungen fanden nun aufgrund des Weggangs des bisherigen Schularztes nicht mehr statt. Am "Gedenktag des Weltkrieges" wurde eine Gedenktafel für den ehemaligen Lehrer der Anstalt, Oberlehrer Langenberg, enthüllt. Am Schuljahresende fand eine Zeichen- und Nagelarbeitsausstellung statt.
Im Schuljahr 1934/35 wurden bereits Luftschutzübungen durchgeführt. Ein vorhandener Raum wurde durch die Klasse UII in einen Gasschutzkeller ausgebaut. In den folgenden Ausgaben des Schulprogrammes findet man immer mehr Einträge politischer Art, wie zum Beispiel die Mitgliederzahlen beim "Bund Deutscher Mädchen". Am 1.2.1936 waren 87% der Schülerinnen Mitglied im BDM, ein Jahr später schon 99,4%. Im Schuljahr 1937/38 war nur noch ein Mädchen NICHT Mitglied. Folgende Passage aus dem Programm des Schuljahres 1935/36 kann man so oder so deuten, echte Empörung oder versteckte Ironie:
"Zu einem Ausspracheabend über das Thema: Elternhaus, Schule und BDM waren 14 Eltern erschienen, trotzdem auf der Einladung angegeben war, dass die Ringführerin des BDM sprechen würde."
Dieses Zitat sagt aber auch viel über das allgemeine politische Interesse aus. Zu Beginn des Schuljahrs 1936/37 fand wieder eine Nadelarbeit- und Zeichenausstellung statt. Die Mehrzahl der Schülerinnen besuchte das Olympische Dorf. Im Fach Nadelarbeit stellten Schülerinnen eine komplette Säuglingsausstattung her und spendeten diese.
Das einhundertjährige Bestehen der Schule wurde 1936 ein ganzes Wochenende lang gefeiert: Freitag veranstaltete man einen Tanzabend, Samstag fand die Vorfeier statt. Der eigentliche Festakt am Sonntag wurde von der Aula der Schule in den Hohenzollern-Saal verlegt, da zu viele ehemalige Schülerinnen ihr Kommen angekündigt hatten und die Aula dafür deutlich zu klein war. Zu Beginn der Feierlichkeiten wurde in einer Feierstunde den verstorbenen Lehrern der Schule gedacht und Kränze auf deren Gräbern niedergelegt.
Zu Beginn des Schuljahres 1938/39 wurde die 6. Klasse (hauswirtschaftliche Form) eingerichtet. Da für den hauswirtschaftlichen Unterricht keine Räume vorhanden waren, fand der Unterricht in der Mädchen-Volksschule statt. Im gleichen Schuljahr erwarb die Schule einen Schulgarten (500m² groß) direkt neben dem Schulgebäude.
Die Schule wurde in der Nacht vom 21.8. zum 22.8.1939 mit Flak belegt, so dass der Unterricht für zwei Tage ausfiel und erst wieder am 24.8. fortgesetzt wurde. Schon am 1.9. wurde die Schule wieder durch die Flak in Beschlag genommen (auf Anordnung von Hermann Göring). Seit dem 12.9. fand der Unterricht dann nachmittags im Schulhaus der Oberschule für Jungen statt. Am 14.9.1939 konnte der Unterricht nach der Räumung der Flak wieder im eigentlichen Schulhaus durchgeführt werden.
Da die Schule keine Verdunkelungseinrichtungen hatte, wurde der Unterrichtsbeginn vom 27.11.1939 an von 7:50 Uhr auf 8:30 Uhr verlegt. Im Winter 1939/40 fiel der Unterricht immer wieder wegen Kohlemangel stunden- oder tageweise aus. Am 5.2.1940 ordnete der Bürgermeister der Stadt deswegen die Schließung aller Schulen an. Bis Ostern wurde der Unterricht durch Hausaufgaben ersetzt.
Anfang 1940 muss dieser Artikel nun erst einmal enden, da mir bisher keine Unterlagen aus den letzten Jahren bis 1945 vorliegen.
* nicht komplett
** nur Schulabgängerinnen
*** wird gerade erfasst
**** noch nicht erfasst
Recherche in der Datenbank starten >>>
Quellen:
Einwohnermeldebuch der Stadt Küstrin 1939/40
* Seite "Gymnasium". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. März 2009, 20:08 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gymnasium&oldid=57972950 (Abgerufen: 24. März 2009, 18:43 UTC)
Zeitungsartikel zum 100jährigen Bestehen der Schule im Cüstriner Oderblatt
Diverse Jahresberichte/Schulprogramme der Schule