Der Wiederaufbau des Bahnhofs 1946 – 1950

Am 06.01.1946 wurde der Betrieb auf dem Bahnhof Küstrin-Kietz wieder aufgenommen. Man stellte 15 Personen - meist Frauen - aus Kuhbrücke als Betriebsarbeiter ein. Ihre Aufgabe war unter anderem das abladen der Kohle von den Güterwagen, das bekohlen der Dampfloks und die Reinigung der Gleisanlagen. Der erste Vorarbeiter war ein namentlich nicht mehr bekannter Eisenbahner aus Reitwein, ihm folgte August Gericke.

In einem zum Büro umgebauten Waggon auf dem Zufahrtsgleis zum Schrottplatz hatte sich die DERUTRA AG (Deutsch-Russissche Transport AG, der Vorläufer der DEUTRANS) ihr erstes Domizil eingerichtet. Später zog das Büro in eine der damals am Standort des Wasserturms stehenden Baracken am Rosendamm (siehe nächstes Kapitel) um. Geleitet wurde die Niederlassung der DERUTRA anfangs von einem Herrn Weber aus Booßen.

Die Strecke zwischen Berlin und Küstrin-Kietz wurde bereits am 24.4.1946 neu eröffnet. Dazu war zuerst Gleis 3 wieder hergerichtet worden. Der erste reguläre Zug war der sogenannte „Polenzug“, ein Reisezug der von Kostrzyn zum Wriezener Bahnhof in Berlin fuhr. Bis Anfang November 1946 wurde nördlich von Gleis 3 und östlich des "Hochhauses" am Rosendamm ein provisorischer Bahnsteig aus Schlacke errichtet (siehe Plan im  Kapitel "Die Nutzung des Bahngeländes zwischen 1948 und 1951"). Der Zugang zu Bahnsteig erfolgte über den Rosendamm.

In den Jahren 1946/47 erfolgte die Reparatur eines gesprengten Teils der Oderbrücke mittels eines Behelfsbrückenteils. Die noch einspurige Brücke wurde am 3. März 1947 dem Verkehr übergeben, sie konnte aber nur mit max. 30km/h befahren werden. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre erfolgte die weitere Wiederherstellung der Brücke, auch unter Nutzung eines Brückenteils der Peenebrücke in Karnin auf Usedom. Auch das Provisorium von 1947 wurde ersetzt. Die Tageszeitung "Neues Deutschland" berichtete in ihrer Ausgabe vom 04.03.1947 über die Wiederinbetriebnahme der Brücke nach 5-monatiger Bauzeit. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Pionierbrücke sollte danach abgerissen werden.

Ein Neubau der Eisenbahnbrücken über die Oder-Vorflut und die Oder ist geplant, der Baubeginn verzögert sich jedoch wegen einiger spät vorgebrachter und schließlich fallen gelassener Sonderwünsche der polnischen Seite noch bis etwa 2021. Ursprünglich sollten die Arbeiten im Herbst 2018 starten.

Ab August 1947 wurde die bis dato zweigleisige Strecke zwischen Küstrin-Kietz und Frankfurt (Oder) auf Befehl der sowjetischen Besatzungstruppen demontiert. Zwischen Frankfurt (Oder) und Podelzig wurde ein Gleis demontiert, zwischen Podelzig und Küstrin-Kietz beide Gleise. Diese frühere Hauptbahn und erste Verbindung zwischen Berlin und Küstrin (via Frankfurt) wurde danach, zum großen Teil nur noch eingleisig, wieder aufgebaut und am 06.10.1950 als Nebenbahn neu eröffnet. Vor der Wiederinbetriebnahme der Strecke nach Frankfurt (Oder) wurden auf dem Bahnhof auch einige Weichen und Schranken erneuert. Vor der Wiederinbetriebnahme der Frankfurter Strecke diente das Stellwerk Kst (später Schrankenposten 1, siehe Bild 5) aufgrund der Wohnungsnot im Ort der Familie Wache als Wohnhaus.

Bauarbeiten am Bahnübergang der Frankfurter Strecke im Jahre 1950Bild 4: Bauarbeiten am Bahnübergang der Frankfurter Strecke im Jahre 1950 (Quelle: Lothar Meyer, via D. Malzahn)
Bahnübergang der Frankfurter Strecke mit Stellwerk Kst um 1954Bild 5: Bahnübergang der Frankfurter Strecke mit Stellwerk Kst um 1954 (Quelle: Lothar Meyer, via D. Malzahn)
Eröffnung der Bahnstrecke nach Frankfurt (Oder), 1950: Warten auf den ersten Zug.Bild 6: Eröffnung der Bahnstrecke nach Frankfurt (Oder) am 06.10.1950: Warten auf den ersten Zug. (Quelle: Lothar Meyer)
Eröffnung der Bahnstrecke nach Frankfurt (Oder), 1950: Der erste Zug.Bild 7: Eröffnung der Bahnstrecke nach Frankfurt (Oder) am 06.10.1950: Der erste Zug. (Quelle: Lothar Meyer)

Aufgrund der fehlenden Stromversorgung bestand die Beleuchtung in der ersten Zeit aus Stearin-Kerzen, die täglich neu gegossen werden mussten. Es gelang später, für den Bahnhof einige mit Petrolium betriebene Handlampen zu beschaffen, dies war gebenüber den Kerzen schon ein deutlicher Fortschritt. Bei der Wiederherstellung des Stromversorgung in Ort, u.a durch die Firma Otto Grube, wurde der Bahnhof vorrangig behandelt, so dass die Zeit der Kerzen und Petroliumlampen schon bald erledigt war.

Im Winter 1948/49 ruhte die Bahnhofsbaustelle. Um die Arbeiter weiter beschäftigen zu können, arbeiteten etwa 220 Arbeiter der Märkischen Bau-Union (MBU) aus Kleinmachnow mit rund 40 Mitarbeitern der Baufirma Richard Hanisch aus Küstrin-Kietz an der Enttrümmerung des Ortes. Während die Mitarbeiter des staatlichen Betriebes einen Stundenlohn erhielten (erhalten sollten), erhielten die Mitarbeiter von Richard Hanisch einen leistungsbasierten Lohn. Die MBU hatte für 1000 geborgene Ziegelsteine einen Preis von 128 DM kalkuliert, die Firma Hanisch berechnete dagegen nur 34,65 DM für die gleiche Anzahl. Da aber die MBU ihren Mitarbeitern nur sehr unregelmäßig Lohn zahlte, war die Arbeitsmoral dementsprechend im Keller und sie ereichten nur eine durchschnittliche Tagesleistung von 65 Mauersteinen – die Arbeiter der Firma Hanisch schafften in der gleichen Zeit 900 Steine. Die Steine wurden verkauft - nur die Küstrin-Kietzer Einwohner kamen oft zu kurz, während umliegende Orte von diesem Baumaterial profitierten. Das hat sich in die Gedanken der nun alten Kietzer so eingebrannt, dass noch heute die damalige MBU als "Märkische Klau-Union" bezeichnet wird.

Von 1950 bis 1952 übernahm Wolfgang Wüstefeld, ein Bauingenieur aus Frankfurt (Oder) im Auftrag der Bau-Union Fürstenberg (Oder) die Bauleitung auf den geplanten Grenzbahnhöfen Frankfurt (Oder) und Küstrin-Kietz. Er fand dort insgesamt 700 Arbeiter vor, die mangels Material und Werkzeugen nichts tun konnten. Er entschied, 200 dieser Arbeiter zu entlassen, da er sie nicht beschäftigen konnte. Er hatte zwar Rückendeckung von seinem Vorgesetzten, machte sich in der Bevölkerung, der Partei und den Gewerkschaften mit dieser Entscheidung keine Freunde. Für den Großteil der Arbeitskräfte gelang es ihm jedoch, Material, Werkzeuge und Maschinen zu organisieren.

Die benötigte Erde für den Küstrin-Kietzer Bahnhof schaffte man von Podelzig heran. Wolfgang Wüstefeld erzählt in seinen Memoiren eine kleine Geschichte darüber: Man vergaß eines Tages einen Wagen in Podelzig korrekt anzubremsen, in der Nacht setzte er sich auf der zwischen Podelzig und Küstrin-Kietz abschüssigen Strecke in Bewegung und rollte bis auf den Bahnhof Kietz, wo er am Morgen entdeckt wurde. Dabei kam aber niemand zu Schaden.

DR Baustelle Kuestrin Kietz 1953Bild 8: Stempel der Reichsbahn Bau-Union (Quelle: Andy Steinhauf)

Start der Lehrlingsausbildung auf dem Bahnhof Küstrin-Kietz

Um 1946/47 hielten nur wenige Eisenbahner des Betrieb auf dem Bahnhof Küstrin-Kietz am laufen. Die Anzahl der Mitarbeiter stieg erst mit dem Ausbau des Bahnhofs massiv. Im Jahre 1950 begann man in Küstrin-Kietz auch mit der Ausbildung von Lehrlingen. In diesem Jahr traten die ersten 10 Lehrlinge ihre Lehrzeit auf dem Bahnhof an. Die erste Ausbildungsstätte befand sich in einer Baracke zwischen Gleis 9 und dem Rosendamm. Diese Baracke stand etwa auf Höhe des neuen Empfangsgebäudes.

Die große, hölzerne Ausbildungsbaracke an der Straße wurde um 1957 fertiggestellt. Deren Eingang befand sich am Ostgiebel. In den miteinander verbundenen drei Räumen an der Straßenseite wurde später eine Modeleisenbahn aufgebaut, daran erfolgte die Ausbildung im Betriebsdienst. An der der Straße abgewandten Seite der Baracke befanden sich die Klassenräume. Der erste Raum wurde als Fernschreibraum genutzt, dort fand die Ausbildung an Morsegeräten statt. Am Ende das Ganges befanden sich die Büros der Lehrausbilder.

Lehrvertrag Ausbildungsbahnhof Kietz 1960Bild: Ausbildungsvertrag meines Vaters aus dem Jahre 1960 (Quelle: Archiv Andy Steinhauf)