Blick auf die Zellulosefabrik von Bleyen ausBlick auf die Zellulosefabrik von Bleyen aus
Gründung und Entwicklung:

Der "Beauftragte für Wirtschaftsfragen" der Reichsregierung entschied im Rahmen des damaligen Vierjahresplanes, eine Zellstofffabrik in Küstrin bauen zu lassen, die mit dem sogenannten Sulfatverfahren arbeitete. Die Initiative zum Bau ging aber von der "Wirtschaftsvereinigung Natronpapier- und Papiersäcke GmbH", einem, Zitat "Organ der als Kartell funktionierenden Kontrollstelle für Natronpapier und Papiersäcke", aus. Alle dort beteiligten Unternehmen (siehe weiter unten) stellten Kapital für den Bau des Küstriner Werkes zur Vefürgung.

Das Sulfatverfahren war nicht neu, sondern wurde bis dahin hauptsächlich in skandinavischen Ländern eingesetzt. Es war wegen der Geruchs- und Staubbelastung sowie der Abwässer umstritten. Unter der Maßgabe, ein Produktionsverfahren zu verwenden, welches diese Probleme ausschließt, wurde der Bau in Küstrin genehmigt. Neben der Fabrik in Küstrin wurden im Rahmen dieses Vierjahresplanes auch die

  • Schlesische Zellwolle AG, Hirschberg
  • Rheinische Zellwolle AG, Siegburg
  • Kurmärkische Zellwolle- und Zellulose AG, Wittenberge
  • und die Rheinische Kunstseide AG, Krefeld

neu gegründet. Diese 5 Unternehmen sollten später die Prix AG bilden, dazu aber später mehr.

briefkopf zellwolle zellulose ag kuestrin

Die Zellwolle und Zellulose AG wurde am 23.06.1936 als Zellstoff-Fabrik Küstrin AG zwecks "Errichtung und Betrieb einer Natron-Zellstoff-Fabrik und die Beteiligung an Unternehmen gleicher Art" gegründet und am 26.10.1936 ins Handelsregister B eingetragen. Zum Geschäftsfeld der AG gehörten die Herstellung und Verarbeitung von Zellulose und Kunstfasern. Das Haupterzeugnis war, meist aus Kiefernholz gewonnener Natronzellstoff. Die Rohstoffe dafür sollten ausschließlich aus Deutschland kommen, um von Importen unabhängig zu werden.

Das Geschäftsjahr entsprach dem Kalenderjahr. Für jede Aktie erhielten die Aktionäre eine Stimme, im ersten Geschäftsjahr zahlte die AG noch keine Dividende. Zu den Gründern, die sämtliche Aktien übernahmen, gehörten:

  • Natronzellstoff- und Papierfabriken; Berlin
  • Herzberger Papierfabrik L. Osthushenrich GmbH, Krebsöge
  • Saganer Papierfabrik GmbH, Sagan (Schlesien)
  • Niederrheinische Papier- und Pappenfabrik AG. Neuss
  • Papierfabrik Kappelrodeck, Richard Lenk, Kappelrodeck
  • Papierfabrik GmbH, vorm. Br. Kämmerer, Osnabrück
  • Ratinger Papierfarbrik, Wilderich Graf Spee, Ratingen im Rheinland
  • Firma Friedrich Haver, Tiergarten bei Ohla
  • Papierfabrik Westmark GmbH, Jülich
  • Siemens-Schuckertwerke AG, Berlin-Siemensstadt
  • Firma Richard Berger, Wolkenburg/Mulde
  • Papierfabrik Kirchberg AG, Kirchberg bei Jülich
  • Gißlers & Paß AG, Jülich
  • Wirtschaftsvereinigung Natronpapier und Papiersäcke GmbH, Berlin-Charlottenburg
  • Schleipen & Erkens AG, Koslar, Krs. Jülich
  • Konsul Franz Hagen, Lübeck

Der Kauf des Grundstückes für die Fabrik, inkl. Beurkundung und Zahlung erfolgte im Januar 1937, im März des gleichen Jahres waren die Gebäude bereits im Bau. Zum Jahresende rechnete man mit der Fertigstellung des Werks. Nach den Jahren der Planung (1936) und des Aufbaus (1937) wurde mit der Produktion schließlich Ende März 1938 begonnen. Das größte Problem im Jahre 1938 war, geschultes Fachpersonal für die Maschinen zu finden.

Nach der Angliederung einer Fabrik zur Zellwolleherstellung wurde die Zellstoff-Fabrik Küstrin AG am 24.04.1939 in Zellwolle und Zellulose AG umbenannt und beschäftigte über 1000 Menschen. Kriegsbedingt waren darunter viele Frauen und auswärtige Mitarbeiter, aber auch Zwangsarbeiter, u.a. männliche Häftlinge aus dem Zwangsarbeiterlager für Juden in Küstrin Neustadt.

Für die Unterbringung der auswärtigen Mitarbeiter wurden ab 1940 "Mannschaftslager" errichtet. Das "Lager 2" für die Unterbringung der Mitarbeiter wurde ab November 1941 am nördlichen Rande des Stadtwaldes, zu zwei Dritteln auf der Küstriner Gemarkung und zu einem Drittel auf der Gemarkung Alt-Drewitz errichtet. Von den Bauaufsichtsbehörden wurde Wert darauf gelegt, die Waldkante an dieser Stelle zu erhalten, um die zu Alt-Drewitz und Küstrin gehörenden Teile weiterhin unterscheiden zu können. Scheinbar hatte man es bei der Errichtung der Baracken sehr eilig, denn die Anlieferung der Barackenteile und der Beginn der Bauarbeiten auf dem Küstriner Stadtgebiet erfolgte bereits vor der finalen Genehmigung durch die verantwortlichen Kreisbehörden in Königsberg/Nm. Ein Teil dieser Baracken überstanden der Zweiten Weltkrieg und wurden im Oktober 1945 Teil des Vertriebenenlagers in Küstrin:

Lager für Mitarbeiter am Stadtwald KüstrinPlan des Lagers für Mitarbeiter am Rande des Küstriner Stadtwalds von 1941 (Quelle: BLHA, Rep. 3B Regierung Frankfurt (Oder) I Hb Nr. 622)


Beim Bau der Zellwolle-Fabrik profitierte die Firma von einem Erweiterungsprogramm des Reichswirtschaftsministeriums für die Zellwolle-Industrie. Beim Bau wurden viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus Hamburg-Neuengamme eingesetzt. Unter diesen Zwangsarbeitern waren auch Kriegsgefangene, wie Serben, Franzosen und sowjetische Offiziere. Sie wurden in einem auf dem Werksgelände um 1942 errichteten Straflager (Stralag) untergebracht. Im Juni/Juli 1942 trafen zwischen 80 und 100 französische KZ-Häftlinge auf der Baustelle ein, sie stammten meist aus Marseille und Bitche (dt: Bitsch, Lothringen). Eine der beim Ausbau beteiligten Firmen war ab 1941 die J W. Roth AG aus Neugersdorf in Sachsen.

Durch dieses Erweiterungsprogramm wollte die NS-Führung die deutsche Textilindustrie von Importen unabhängig machen und Baumwolle durch Zellwolle (auf Holzbasis) ersetzen. Ziel der Erweiterung des Küstriner Werkes war die tägliche Produktion von 60.000kg Kraftstoff für Papier, 60.000kg veredeltem Zellwolle-Zellstoff und 50.000kg PHRIX-Zellwolle.

Phrixer unter sich

Neben den Werksmitteilungen in "Der Phrixer" veröffentlichte die Phrix GmbH ab 1939 eine Werkszeitung namens "Phrixer unter sich", die kostenlos an die Mitarbeiter in den zusammengeschlossenen Werken verteilt wurde. In dieser Zeitung kamen auch die Mitarbeiter zu Wort und berichteten über ihre Werke, auch über das in Küstrin. Hinzu kommen Informationen über Ehrungen von Mitarbeitern, Hochzeiten, Geburten und Todesfälle, sowie auch Auszüge/Abschriften von Feldpostbriefen, die Mitarbeiter der Werke von der Front schickten. Die folgenden Angaben über das Werk stammen aus zwei Ausgaben dieser Zeitung (Nr. 3/1942 und Nr. 5-6/1942), die mir im Original vorliegen.

richtfest 1942 400Bisher hieß es ja immer, ab Kriegsbeginn wurden in Küstrin keine zivilen Bauprojekte mehr genehmigt bzw. durchgeführt, das widerlegt jedoch ein Artikel in der Werkszeitung. Am 9. Oktober 1942 fand das Richtfest für drei Reihenhäuser mit 65 Werkswohnungen für die Mitarbeiter der Zellwolle- und Zellulose AG statt. Laut der Werkszeitung war es das letzte Wohnungsbauprojekt, das in Küstrin noch durchgeführt wurde. Beim Richtfest waren der Vorstandsvorsitzende Dörr und auch der damalige Küstriner Bürgermeister Hermann Körner anwesend. Das nebenstehende Foto aus der Werkszeitung zeigt wohl eines der fertigen Wohnhäuser sowie eventuell die Herren Dörr (links) und Körner (rechts).

Diese drei Reihenhäuser waren aber nicht die einzigen Werkswohnungen. Wie aus der Zeitung hervorgeht, waren bereits vorher Wohnhäuser in der Nähe des Werks, "am Rande Küstrins", errichtet worden.

 

Konzert des Orchesters des Zellwolle und Zellulose AG Küstrin im Patenlazarett 1942Mühevoll stellte man im Werk ein kleines Orchester aus mehr oder weniger talentierten Hobbymusikern zusammen, die vor verwundeten Soldaten im Paten-Lazarett des Werkes (siehe Foto) spielten. Auch den Kontakt zu den an die Front eingezogenen Mitarbeitern erhielt man aufrecht, auch sie bekamen die Werkszeitung zugeschickt. Sie berichteten darin, wie schon geschrieben, regelmäßig.

In den ersten drei Kriegsjahren fielen 12 Mitarbeiter des Werkes: Karl Kuke (+ 3.9.1939), Karl Berndt (+ 6.9.1939), Kurt Wolfgang (+ 6.4.1941), Georg Lehmann (+ 24.7.1941), Erich Damrau (+ 12.9.1941), Karl Hönicke (+ 18.9.1941), Fritz Schulz I (+ 21.1.1942), Georg Freimuth (+ 14.2.1942), Karl Budack (+ 18.3.1942), Karl Peter (+ 19.3.1942), Erwin Meier (+ 15.9.1942) und Paul Benicke (18.9.1942).

 
Produktion & Kapazität:

Anfangs wurden mit 300 Mitarbeitern 7.000 Tonnen Zellstoff produziert. Bis 1940 wurde die Zellstoffproduktion auf 20.000 Tonnen pro Jahr erhöht, damit lag sie aber immer noch 1.900 Tonnen unter den avisierten Ziel (365 Tage x 60 Tonnen = 21.900 Tonnen). Mit der Inbetriebnahme der Erweiterungsanlagen rechnete man im Jahre 1941. Im Geschäftsjahr 1940 wurde mit dem Bau der Zellwolle-Anlagen begonnen. Anfang 1945 lag die Kapazität bei der Produktion von Papierzellulose in Küstrin bereits bei 50.000 Tonnen pro Jahr. Damit wurden in Küstrin 44% der gesamten jährlichen Kapazität (114.000 Tonnen) der Phrix AG produziert.

Auch eine Eiweiß- bzw. Nährhefe-Produktionslinie wurde in Küstrin gestartet, gut die Hälfte der Produktion ging an die Waffen-SS und die Wehrmacht, der Rest gelangte in den Wirtschaftskreislauf. Das Verfahren dazu wurde von der Phrix AG entwickelt: Man nutzte das Sulfidabwasser, um auf einem daraus gewonnenen Substrat Hefekulturen zu züchten.

Aber auch in der Rüstung war die Fabrik tätig. Wohl in der ab 1941 erbauten Erweiterung des Werks wurde ein weiteres Produkt für die Wehrmacht produziert: Der Sprengstoff Nitrozellulose (auch Zellulosenitrat) - umgangsprachlich bekannt als Schießbaumwolle.

In einer Akte der Ordnungspolizei, welche im Budesarchiv liegt, wird von einem Luftangriff am 20.11.1940 berichtet: "3 Sprengbomben, davon 1 Blindg. bezw. Lzz. [Langzeitzünder] auf Zellstoffwerk. Verwaltungsgebäude stark beschädigt. Blindg. liegt in Nähe des Betriebsgebäudes. Betrieb eingestellt."

zeichnung zellwollezellulose ag kuestrin 1939Zeichnung der zweiten Ausbaustufe des Küstriner Werks (Quelle: Zellstoff in Küstrin, in: Der Phrixer, Hausmitteilungen, Nr. 5, 1939, Phrix-Gesellschaft mbH, Hirschberg)

Gewinne und Verluste:
JahrRohgewinnGewinn / Verlust
1936 - -67.196,33 RM
1937 - -100.525,01 RM
1938 -  -1.160.585,82 RM
1939 530.000 RM -1.075.740,73 RM
1940 990.000 RM  -488.308,91 RM
1941 1,24 Mill. RM -875.750,50 RM
1942    -1.823.871,62 RM
1943   -1.768.985,89 RM
1944*   -1.301.035,09 RM
     

Im Jahre 1939 erwirtschaftete die Aktiengesellschaft erstmals einen Rohertrag von 530.000 RM, im Jahr darauf 990.000 RM, trotzdem schrieb das Unternehmen letztendlich Verluste. Diese Verluste in den Jahren 1939/40 resultierten zum großen Teil aus der andauernden Erweiterung des Küstriner Werkes. Im Jahre 1941 konnte das Unternehmen die Preise seiner Produkte nicht den gestiegenen Rohstoffpreisen für Holz anpassen.

* bis 30.06.1944

Personalien:

1936

Der Vorstand:

  • Kaufmann Carl Pressler
  • Ing. Ernst Enderlein

Der Aufsichtsrat:

Vorsitzender Direktor: Rudolf Kämmerer, Osnabrück

Stellvetreter: Dr. Josef Freiherr Raitz von Frentz, Berlin-Dahlem

Mitglieder:

  • Dir. Heinrich Berg, Ratingen
  • Dir. Dipl.-Ing. Robert Deibel, Berlin- Siemensstadt
  • Dir. Adolf Ernst von Ernsthausen, Düsseldorf-Oberkassel
  • Präsident Hans Kehrl, Cottbus
  • Oberregierungs-Rat Dr. Gustav Adolf Kienitz, Leiter der chemisch-technologischen Abteilung des Preußischen Holzforschungsinstituts, Eberswalde
  • Dir. Eugen Lendhold, Krappitz (OS)
  • Fabrikbesitzer Willy Tamaschke, Sagan (Papierfabrik)
  • Dr. Bruno Töpfer, Regierungsrat, Berlin

1939

Der Vorstand:

  • Dipl.-Ing. R. E. Dörr (Vorsitzender)
  • Carl Preßler (Vorstandsmitglied; aus Küstrin)
  • Dr. Robert Kroupa (seit 1. Januar 1940 stellvertretendes Vorstandsmitglied; aus Küstrin)
    Robert Kroupa schied mit der Hautpversammlung vom 27.11.1941 aus dem Vorstand aus. An seiner Stelle wurde Dr. Hans Sadler aus Küstrin in den Vorstand gewählt.

Der Aufsichtsrat:

Mitglieder:

  • Dir. Rudolf Kämmerer, Osnabrück
  • Dr. Josef Freiherr Raitz von Frentz, Berlin
  • Dir. Adolf Ernst von Ernsthausen, Düsseldorf
  • Präsident Hans Kehrl, Berlin
  • Dir. Heinrich Berg, Ratingen
  • Dr. Bruno Töpfer, Ober-Regierungsrat, Berlin
  • Fabrikant Ernst Fliegel, Sorau
  • Felix Berndt, Leutersdorf
  • Bernhard Schubert sen., Zittau
  • Hermann Schweitzer, Tübingen
  • Dr. Josef Otten, Berlin
  • Carl Neumann, Wuppertal
  • Dir. Carl Schurr, Erlangen
Gründung der Phrix AG:

Zusammen mit vier weiteren Zellulose-Fabriken schloss man sich zwecks, Zitat "[...] Planungen auf dem Gebiete der Zellulose- und Chemiefaser-Herstellung, für Inbetriebsetzung der zahlreichen Produktionsstätten, zwecks Durchführung gemeinsamer Forschungsarbeit und Patentbearbeitung sowie mit dem Ziel eines gemeinsamen Verkaufs [...]", zur "Zellwolle-Arbeitsgemeinschaft mbH" mit Sitz in Berlin zusammen. Diese Zellwolle-Arbeitsgemeinschaft wurde bereits 1938 in den Zellwolle-Ring und die Phrix-Arbeitsgemeinschaft aufgespalten. Die fünf an der Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unternehmen (darunter die Fabrik in Küstrin) gründeten 1938 die Prix Gesellschaft mbH, an der die 5 Werke jeweils einen Anteil von 20% bzw. 500.000 RM hielten. Kontrolliert wurde die Prix-Gesellschaft aber durch die Schlesische Zellwolle AG, mit Sitz in Hirschberg (Riesengebirge). Eugen-Richard Dörr, der Direktor der Schlesischen Zellwolle AG leitete auch die Phrix GmbH und wurde Vorstandsmitglied im Küstriner Werk. Er hatte der Zellwolle- und Zellulose AG in Küstrin aber bereits vorher beratend zur Seite gestanden, um die Anlaufschwierigkeiten zu überwinden. Die Küstriner Aktiengesellschaft trat 1939 der Phrix GmbH bei und übernahm gleichzeitig die Herstellungsrechte der Hirschberger Fabrik.

Briefkopf Zellwolle- und Zellulose AG als Teil der Phrix-AGBriefkopf der Zellwolle- und Zellulose AG als Teil der Phrix-AG (Quelle: BLHA, Rep. 3B Regierung Frankfurt (Oder) I Hb Nr. 692)


Phrix ist übrigens kein Phantasiename, sondern das altgriechische Wort für "gekräuselt". Aus der Phrix-Gesellschaft mbH und der Phrix Arbeitsgemeinschaft mit ihren 5 teilnehmenden Werken wurde 1941 in Hamburg mit 50 Millionen Reichsmark die Dachgesellschaft "Phrix-Werke AG" gegründet. Die neue AG erwarb 96% der Phrix-Gesellschaft mbH, die restlichen 4% blieben im Besitz der 5 Werke. Die Küstriner Zellwolle und Zellulose AG wurde zu 70% von der Dachgesellschaft übernommen. Die Dachgesellschaft bestimmte die Produktion, lenkte den Absatz und setze die Preise fest.

Die Ausstattung des Küstriner Werks wurde 1945 durch die Rote Armee bis auf den letzten Lichtschalter demontiert und als Reparationsgut abtransportiert. Sehr interessant ist aber der Fakt, dass die Aktien der Zellwolle- und Zellulose AG Küstrin noch 1948 gehandelt wurden, das belegt die weiter unten abgebildete Lieferbarkeitsbestätigung der Deutschen Bank in Köln vom 12. April 1948.

Ereignisse aus der Firmengeschichte

JahrEreignis
23.06.1936 Gegründet mit einem Kapital von 2.675.000 Mark in Namensaktien zu je 1000 RM
26.10.1936 Eingetragen als "Zellstoff-Fabrik Küstrin A.-G."
27.04.1937 Laut Beschluß der ersten Hauptversammlung der AG vom 27. April 1937 Erhöhung des Kapitals um RM 675.000,00
26.10.1938 Laut außerordentlicher Hauptversammlung vom 26. Oktober 1938 um RM 800.000,00 Kapitalerhöhung auf RM 3.475.000,00
24.04.1939 In der außerordentlichen Hauptversammlung vom 24. April 1939 wird die Änderung des Firmenwortlauts von "Zellstoff-Fabrik Küstrin A.-G." in "Zellwolle und Zellulose Aktiengesellschaft Küstrin" beschlossen. Das Kapital wird erhöht um RM 15.000.000,00 auf RM 18.475.000,00. Der Vorstand wird ermächtigt, das Kapital um bis zu Reichsmark 1.700.000,00 zu erhöhen (genehmigtes Kapital).
27.08.1940 Laut Hauptversammlung vom 27. August 1940 zur teilweisen Deckung des Verlustes Kapitalherabsetzung um RM 1.342.000,00 auf RM 17.133.000,00 (mit Rückwirkung auf den Jahresabschluß per 31. Dezember 1939) durch Einziehung der von Aktionären zur Verfügung gestellten Aktien.
27.11.1941 Laut Hauptversammlung vom 27. November 1941 wird der Vorstand ermächtigt, das Kapital um bis zu RM 3.000.000,00 unter Ausschluß des Bezugsrechtes der Aktionäre innerhalb der nächsten 5 Jahre zu erhöhen (genehmigtes Grundkapital).
18.11.1942 Ordentliche Hauptversammlung
27.01.1944 Letzte ordentliche Hauptversammlung
1945 Das Werk wird als Reparation demontiert

 

In der Nachkriegszeit:

In Kostrzyn (Polen):

Erst im Jahre 1958 wurde die Papierfabrik als Kostrzyńskie Zakłady Celulozowo-Papiernicze, also als Zellulose- und Papierfabrik, in Kostrzyn wiedereröffnet. Während meiner Kindheit in Küstrin-Kietz erkannte man nur an zwei Dingen die Fabrik am anderen Oderufer: An den beiden Schornsteinen und am Geruch, wenn der Wind aus einer ungünstigen Richtung blies. Im Jahre 1990 wurde das Unternehmen in eine sich ausschließlich in Staatsbesitz befindliche Aktiengesellschaft, die Kostrzyn Paper S.A., umgewandelt. 1993 wurden 20% der Anteile des Unternehmens an die Mitarbeiter und 80% an die Trebruk-Gruppe aus Schweden verkauft. Ein Jahr später wurde die Zellstoffproduktion eingestellt, man konzentrierte sich nun auf die Papierherstellung. Seit der Fusion der Trebruk S.A. mit der Firma Artic Paper im Jahre 2003 firmiert die Fabrik unter dem Namen "Arctic Paper Kostrzyn S.A.".

In der SBZ / DDR:

Die am 3. Dezember 1937 in Wittenberge gegründete Kurmärkische Zellwolle und Zellulose AG wurde am 13. Mai 1939 in Betrieb genommen. Wie auch alle anderen Kapitalgesellschaften in der sowjetischen Besatzungszone wurde das Unternehmen noch 1945 enteignet. Zwischen Mai und September des gleichen Jahres erfolgte die Demontage durch die Besatzungstruppen. Mit bescheidenen Mitteln wurde am 30. Oktober 1945 die Produktion, wenn auch nur in sehr kleinem Rahmen, wieder aufgenommen. Zu dieser Zeit befand sich die Firma in Treuhandschaft der Brandenburgischen Provinzialregierung. 1946 wurde der Betrieb zum "Landeseigenen Betrieb Brandenburg - Zellstoff- und Zellwollewerke Wittenberge". Dann ging alles seinen "sozialistischen Weg", über einen Betrieb als Teil der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) im Jahre 1948 hinzu einem Volkseigenen Betrieb (VEB). Dessen Zugehörigkeit zu verschiedenen VVB's und Kombinaten änderte sich bis 1989 mehrfach. Im Jahre 1957 startete man mit der Produktion von Zellglas für die Verpackungsindustrie.

Der VEB Zellstoff- und Zellwollewerke Wittenberge wurde Mitte 1990 in eine GmbH umgewandelt. Nachdem im Laufe des Jahres schon mehrere Produktionslinien eingestellt worden waren, wurde die Firma am 19.11.1990 unter Zwangsverwaltung gestellt und schließlich am 28. Februar 1991 die Gesamtvollstreckung angeordnet. Schon kurz danach begann der Abbruch der Industrieanlagen und die Sanierung des Geländes, im August wurde dazu im Bremen eine gemeinnützige Arbeitsförderungsgesellschaft gegründet. Ziel war die Neuansiedluung von Gewerbe und Indutrie auf dem ehemaligen Firmengelände.

In Westdeutschland:

Im Jahre 1948 wurde die Phrix AG in Hamburg neu gegründet. Das Stammwerk in Hirschberg mit seiner großen Entwicklungs- und Forschungsabteilung, das Werk in Küstrin, mit Zitat "beachtlicher Zellstofferzeugung nach dem Hirschberger Verfahren", und auch das Werk in Wittenberge, welches auf die Produktion von Spezialfasern und "PHRIX JT" für die Jute-Industrie spezialisiert war, gingen durch den Krieg verloren. Die Phrix AG verlor damit ihre kompletten Kapazitäten (1945: 114.000 Tonnen pro Jahr) für die Herstellung von Zellstoff und 70% der Kapazitäten für Zellwolle. Schon Ende der 1940er Jahre gab es Machtkämpfe innerhalb des Konzerns, das Magazin "Der Spiegel" berichtete in seinem Artikel "Die Hellseherin befragt" in der Ausgabe 36/1953 darüber.  Im Jahre 1955 fusionierte die Phrix AG mit der Rheinischen Kunstseiden AG und der Chemiefaser AG. BASF kaufte die Aktiengesellschaft 1967 und wickelte sie nach schweren wirtschaftlichen Problemen ab 1974 ab.

Abbildungen und Belege:

Die Zellulosefabrik in Küstrin (Quelle: Phrix-Buch, 1951)
Die Zellulosefabrik in Küstrin (Quelle: Phrix-Buch, 1951)
Die Zellulosefabrik (Quelle: Adressbuch der Stadt Küstrin 1939/40)
Die Zellulosefabrik (Quelle: Adressbuch der Stadt Küstrin 1939/40)
Aktien der Zellwolle und Zellulosefabrik AG von 1936
Aktien der Zellwolle und Zellulosefabrik AG von 1936
Aktien der Zellwolle und Zellulosefabrik AG von 1939
Aktien der Zellwolle und Zellulosefabrik AG von 1939
Anteilsscheine einer Aktie der Zellulose AG
Anteilsscheine einer Aktie der Zellulose AG
Lieferbarkeitsbestätigung der Aktie von 1948
Lieferbarkeitsbestätigung der Aktie von 1948
Beleg des Unternehmens, hier schon Teil der Phrix-Werke
Beleg des Unternehmens, hier schon Teil der Phrix-Werke
Brief von 1943 1/5
Brief von 1943 1/5
Brief von 1943 2/5
Brief von 1943 2/5
Brief von 1943 3/5
Brief von 1943 3/5
Brief von 1943 4/5
Brief von 1943 4/5
Brief von 1943 5/5
Brief von 1943 5/5

 

Quellen: