Blick auf den Ravelin „Christian Ludwig“, aus dem Buch „Küstrin 1232 – 1932“ von Ralf JuonBlick auf den Ravelin „Christian Ludwig“, aus dem Buch „Küstrin 1232 – 1932“ von Ralf Juon

 

Eingangstor der Jugendherberge (Archiv Siegfried Neubauer)Der in den späten 1680er Jahren erbaute Ravelin „Christian Ludwig“ war wie auch der Rest der historischen Festung Küstrin zu Beginn des 20. Jahrhunderts militärisch bedeutungslos geworden. Diesem Bauwerk blieb jedoch das Schicksal der östlichen Festungsanlagen der Stadt – die komplette Niederlegung – erspart. Der Ravelin wurde einer zivilen Nutzung zugeführt.

Aufgrund der historischen Bedeutung der Stadt Küstrin spielte auch in der Vorkriegszeit der Tourismus eine wichtige Rolle. Das Fremdenverkehrsamt mit Sitz im Rathaus der Stadt war für diesen Wirtschaftszweig verantwortlich. Die diversen Hotels in der Stadt wurden Ende der 1920er / Anfang der 1930er Jahre durch die neu eingerichtete Jugendherberge ergänzt. Bis zum Abriss des Hohen Kavaliers ab November 1930 war sie dort untergebracht. Die Neumärkische Zeitung schrieb am 03.12.1930 dazu:

„Wanderfrohe Gesellen haben oben auf luftiger Höhe übernachtet, wenig begeistert von der kurze Zeit hier befindlichen Jugendherberge, um so mehr aber von dem zu allen Jahreszeiten reizvollen Blick in das Oder- und Warthetal.“

Die Einrichtung wurde anschließend in den an der Friedrichstraße gelegenen Ravelin „Christian Ludwig“ verlegt. Träger der Jugendherberge waren der „Reichsverband für deutsche Jugendherbergen e.V.“, welcher seit 1933 direkt der Hitler-Jugend unterstellt war, sowie die Stadt Küstrin selbst.


Ab etwa 1932/33 trug die Herberge den Namen „Markgraf Johann“. Vorsitzender war zu dieser Zeit Herr Hans Frank (Hindenburgring 1, Küstrin-Neustadt), Hausvater war Rudolf Kapahnke, er wohnte in der Herberge. Beim Hausvater mussten sich alle neu ankommenden Gäste anmelden und sich ins Herbergsbuch eintragen. Pro Gast wurde ein „Kopfgeld“ von 25 bzw. 55 Pfennig erhoben, darüber sollten sich die Herbergen finanzieren. Geschäftsführer war Hermann Thrams aus der Geschäftsstelle des Verkehrsbüros im Rathaus.

Die Herberge bestand 1933 aus 5 Schlafräumen, von denen 4 beheizbar waren und einen ebenfalls beheizbaren Tagesraum. Sie verfügte über 34 Lager, 36 Betten mit Decke sowie über 44 Notlager (Matratzen, Strohsäcke, Stroh- oder Pritschenlager mit Decken). Zur weiteren Ausstattung gehörten ein „Brausebad“ (Bad mit Dusche) sowie eine Kochgelegenheit, an der man selbst Essen zubereiten konnte. Die Gäste erhielten aber auch Vollverpflegung „inkl. Kaffee und Suppen“. Man warb im Reichs-Herbergenverzeichnis 1933 auch mit dem Vorhandensein eines Fluss- bzw. Seebades und einer Rodelbahn.

Um 1938 wurden in der Herberge auch Flüchtlinge aus dem sudetendeutschen Raum untergebracht. Während des 2. Weltkrieges wurde die Jugendherberge zu einem Frontkino umfunktioniert. Dort mussten sich die Soldaten auch noch während der Kämpfe um die Stadt Propagandafilme wie „Kolberg“ ansehen. Eines Tages erfuhr die Rote Armee von der Existenz des Kinos und die Uhrzeit einer Vorstellung. Während die Soldaten den Propagandafilm über sich ergehen lassen mussten, beschoss die Rote Armee den Ravelin. Er wurde dabei komplett zerstört. Von den Soldaten im inneren überlebte wohl keiner.

 

Quellen:

  • Reichs-Herbergsverzeichnis 1933
  • Mit Rucksack und Nagelschuh – Heft 22: Grenzmark und Neumark
  • Königsberger Kreiskalender, Ausgabe 1939