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Neumärkische Zeitung
112. Jahrgang       Ausgabe vom 3. März 1932
Küstrin als Prüfstein für Friedrich den Großen
 

"Ich bereite mich auf jedes Ereignis, das kommen könnte, vor. Muß ich untergehen, so sei es mit Ruhm und mit dem Schwert in der Hand, sei der Ausgang was da wolle! Adieu, mein lieber Podewils; werdet ein ebenso guter Philosoph als Ihr Politiker seid, und lernt von einem Manne, der nie in die Predigten von Elsner ging, daß man dem Unglück, das da kommt, eine Stirn von Erz entgegensetzen und schon während des Lebens auf alles Glück, alle Güter, alle Täuschungen Verzicht leisten muß, die uns nicht über das Grab hinaus folgen werden." so schrieb Friedrich der Einzige 1745 an seinen Minister Podewils, der selbe Friedrich, der 15 Jahre vorher als Arrestant auf die Festung Küstrin gebracht worden war, um sich wegen Fahnenflucht vor dem Kriegsgericht zu verantworten.

Welch eine Wandlung!

Und daß es dahin kam, verdankt der König seinen Leidens-, Prüfungs- und Läuterungsjahren als Kronprinz in Küstrin.

Der Degen, die Uniform, jedes Ehrenzeichen war ihm genommen, als Kronprinz Friedrich am Abend des 5. September 1730 unter strengster Bewachung in Küstrin ankam. Braune Gefängniskleidung lag für ihn bereit, kein Tischmesser war gestattet und Bibel und Gebetbuch seine einzige Lektüre. Wohl öffneten sich nach Kattes Tode (6. November 1730) die Tore, aber die ersehnte Freiheit gab man ihm nicht. "Er trägt seinen Degen, hat aber kein Portepee, geschweige eine Offiziersuniform; ein bloß auf Probe wieder angestellter Prinz, noch nicht ein Soldat der preußischen Armee, vorerst nur hoffend, es wieder zu werden. Er trägt ein hechtgraues Kleid mit schmalen silbernen Tressen und muß sich seine Uniform wieder verdienen, indem er sich allmählich als neuer Mann bewährt", schreibt Thomas Carlyle.

Als jüngster Rat der Domänenkammer arbeitet Kronprinz Friedrich. Beauftragte seines gestrengen Vaters kamen, um ihn zur Besserung zu zwingen, und schließlich König Friedrich Wilhelm selbst (15. August 1731), um die völlige Unterwerfung des Abtrünnigen entgegenzunehmen. Was Friedrich in jenen Tagen schwerster Demütigung für die Zukunft lernt? "Gehorche, Du bist nicht der Stärkste, es gibt Stärkere als du! Alle Menschen, auch die höchsten, sind dazu berufen, Gehorsam zu lernen."

Und ferner "die Kunst, unter seinen Mitgeschöpfen eine höfliche Tarnkappe zu tragen".

Nach und nach wird er ein Meister darin wie wenige, ein Mann, höflich - und undurchdringlich dem Zudrängen menschlicher Neugier gegenüber, fähig, heiter den Menschen in ihre eigenen Augen zu schauen und gesellig von Angesicht zu Angesicht zu plaudern und ihnen wesentlich doch unsichtbar zu bleiben."

Die Neumark mit den Ämtern Quartschen, Himmelstädt, Carzig, Mossin, Lebus, Gollow und Wollup lernte Friedrich in dieser Zeit kennen und damit die Landwirtschaft. Sein Vater ordnete an, "so soll der Kronprinz nunmehr sich bemühen, die Wirtschaft praktisch zu lernen, zu dem Ende alles gesagt werden muß, wie die Wirtschaft geführt wird, wie gepflügt, gemistet, gesäet und der Acker zubereitet und bestellt werden muß, dabei zugleich der Unterschied von der guten und schlechten Wirtschaft gezeigt werden muß, und daß er solches selbst kennen und beurteilen lerne. Wie Ihm denn auch von der Viehzucht und Brauwesen aller nöthige Unterricht zu geben ist."

Die Hochzeit seiner Lieblingsschwester Wilhelmine mitzufeiern, war ihm nicht gestattet. Aber drei Tage später, am 23. November 1731, durfte er zum ersten Male wieder bei Hofe in Berlin erscheinen - noch immer im hechtgrauen Gewande des aus der Armee Ausgestoßenen. Bis auch hier die Befreiungsstunde schlug und der 30. November 1731 ihm auf Bitten des Alten Dessauers und anderer Offiziere die Rehabilitation und den militärischen blauen Rock brachte. Weitere drei Monate angestrengter Tätigkeit bei der Domänenkammer folgten noch, dann kam am 29. Februar im Schaltjahre 1732 die Ernennung zum Obersten und Befehlshaber des Goltzischen Infanterie Regiments in Ruppin und damit der Abschied von Küstrin.

Diese Küstriner Jahre muten uns hart an, und doch waren sie notwendig, um den König zu formen, von dem Goethe sagen konnte: Auf seiner Kraft ruhend, blieb Friedrich der Polarstern, um den sich Deutschland, Europa, ja die Welt zu drehen schien. -P.R.-