<< Zurück

Neumärkische Zeitung
110. Jahrgang       Ausgabe vom 15. April 1930
Ein Gang durch die Trümmer des Küstriner Stanz- und Emaillierwerkes
 

Einsam sitzt der Pförtner der Ostdeutschen Stanz und Emaillierwerke vor seinem Häuschen und schaut wehmütig auf die vor seinen Augen sich abspielende Tragödie hin. Kein Arbeiter kommt mehr zur Kontrolle an seinem Stand vorüber, kein mit Ballen und Kisten beladenes Fahrzeug bringt Emaillierwaren zum Güterbahnhof. Nur Fuhrwerke mit Holz und Mauersteinen rollen durch die Tore. Das Werk, das zeitweise fast 1000 Arbeitskräfte beschäftigte, das seine Ware einst nach allen Teilen der Welt gesandt, ist zum größten Teil schon dem Erdboden gleichgemacht.

Aber erst wenn man einen Rundgang durch die einstigen Arbeitsstätten gemacht hat, wird einem klar, welche ungeheuren Werte hier nach so kurzer Zeit vernichtet werden. Man glaubt, auf einem Gelände zu sein, das noch deutlich die Kampfspuren trägt: Himmelwertsragende Mauerreste, Gesteinstrümmer und dazwischen Männer und Frauen bei Aufräumungsarbeiten. Vom eigentlichen Emaillierwerk mit seinen zehn Öfen sieht man nichts weiter als die letzten Umrisse der Brennkammern. Über das Trümmerfeld wandern wir weiter durch riesige Hallen. Leer die Räume, in denen einst geschweißt und gebeizt wurde, überall die Spuren beginnenden Abbruchs. Dort hat man noch annähernd 100 Tonnen Modelle und Formen aufgestapelt, in einem Nachbarraum starren uns leere Regale entgegen, in deren großen Kästen einst Griffe und Henkel lagerten.

Nur die Maschinenhalle gibt noch eine Vorstellung von der Größe des Betriebes. Neben einarmigen Exentern stehen hier in langer Reihe Geschirrpressen. Die größte mit einem Eigengewicht von 40 000 Kilogramm und einer Druckkraft von 110 Tonnen wird gerade verladen. Nur die Fundamente stehen noch. Um Platz für diese Maschinen schaffen zu können, hatte man die Dachkonstruktion an dieser Stelle heben müssen. Der Abbruch des Stanzwerkes bringt uns wieder einmal die Not der Wirtschaft eindringlich zum Bewußtsein. Und riesengroß muß sie sein: denn die Firma Schweizer und Oppler, die die Umwertung der ganzen Anlage übernommen, findet für all die großen, modernen Maschinen in Deutschland keine Käufer. Sie wandern sämtlich ins Ausland, nach Polen, Schweden, usw., weil deutsche Firmen dieser Art keine Geldmittel für Neuanschaffungen flüssig machen können. Eine Fachwerkshalle ist angefüllt mit Waren für den Kleinverkauf. Von der elektrischen Sicherung bis zum Elektromotor, vom kleinsten Nagel bis zum größten Werkzeug findet man hier alles nur Denkbare aufgestapelt.

Noch ragen zwei riesige Kamine als Wahrzeichen einstiger Größe gen Himmel; aber auch sie werden fallen, wenn erst die übrigen Gebäude vom Erdboden verschwunden sind. Was Menschenhände in mühsamer Arbeit schufen, wird im Verlauf von Sekunden in Schutt und Asche gesprengt werden.

Bis zum 1. Oktober müssen alle Arbeiten beendet sein. Erhalten bleiben nur die an der Zorndorfer Chaussee stehenden Gebäude, die für Wohnzwecke verkauft werden, und das nach der Bahn zu stehende Hochhaus. Und über das dazwischenliegende Gelände wird schon im nächsten Jahre - wie früher - der Pflug gehen. -tz-