Bei den Artikeln über die anderen religösen Gemeinden der Stadt habe ich immer versucht, eine chronologische Reihenfolge der Ereignisse einzuhalten. Das ist jedoch hier, aufgrund der Komplexität des Themas, nicht möglich. Ich habe mich dazu entschlossen, die Geschichte der Parochialgemeinde in verschiedene Abschnitte aufzuteilen und die Ereignisse erst dort chronologisch wiederzugeben.

Die allgemeine Entwicklung der Gemeinde

siegelDer Vater von Markgraf Hans, Kurfürst Joachim I, war der letzte Verfechter der katholischen Kirche vor der Einführung der Reformation. Noch im Jahr 1534 untersagte er seinen Kindern testamentarisch, vom katholischen Glauben abzuweichen. Ein Jahr später, 1535, starb Joachim I und sein Sohn Markgraf Hans trat in der Neumark seine Nachfolge an.

Die Geschichte dieser Gemeinde beginnt im Jahre 1537, als Markgraf Hans in Schmalkalden in den Bund der Evangelischen Chur-Fürsten- und Reichsstände eintrat. 1538 wurde die Reformation in der Neumark und auch in Küstrin eingeführt. Die lutherischen und reformierten Gemeinden waren als verschiedene Zweige aus der Reformation hervorgegangen. Die reformierte Gemeinde der Stadt nutzte die Schlosskirche, die lutherische Gemeinde die Marienkirche. Diese Teilung existierte in Preußen bis 1817, dann wurde die "Evangelische Kirche in Preußen" gegründet.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen besaß  die Küstriner Stadtpfarrkirche keine eigenen Ländereien, so dass ihr ein großer Teil der Einnahmen, über die andere Kirchen verfügen konnten, fehlte. Die Einnahmen stammten auf dem Pfarropfer, den Gebühren für das Läuten der Glocken bei Todesfällen und Beerdigungen, Chor- und Stuhlmiete, Grabstellengebühren, Gebühren für Haustrauungen und anderen kleineren Einnahmemöglichkeiten. Die schlechte Einnahmesituation wird wohl auch dazu beigetragen haben, dass sich die Pfarrkirchengemeinde über lange Zeit immer wieder gegen einen Kirchenbau in der Kurzen Vorstadt wehrte, ihn aber nie verhindern konnte. Erst wurde dort nur eine Begräbnis- und Hospitalkirche erbaut, später die Friedenskirche.

Markgraf Hans hatte in seinem Testament verfügt, dass die Gemeinde durch einen Pfarrer und zwei Diakone betreut werden sollte. Die Pfarrkirchengemeinde verfügte zwischen 1537 und 1945 über eine 1. Pfarrstelle (Oberpfarrer bzw. Superintendent), nur zwischen 1924 bis 1930 war diese Stelle nicht besetzt. Nach der Zerstörung der Stadt im Jahr 1758 wurden die beiden Diakonatsstellen nicht mehr besetzt, zwischen 1763 und 1767 erhielt der Pfarrer nur einen Assistenten. Erst ab 1767 hatte die Gemeinde wieder einen Archidiakon. Zu seinen Pflichten gehörten neben verschiedenen Amtshandlungen auch die Durchführung des sonntäglichen Kindergottesdienstes, der Bibelstunden und des Konfirmandenunterrichts. Die zweite Diakonatsstelle blieb von 1759 bis 1892 unbesetzt und hatte dann bis 1896 ihren letzten Inhaber. 

1. Pfarrstelle der Gemeinde

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Zeitraum Name Bemerkung
1537 – 1540 Baderesch, Johannes wurde auf Bitte von Markgraf Hans von Martin Luther nach Cüstrin gesandt
1541 – 19.08.1562 Kiel(e)mann, Wenceslaus
1563 – 1570 Meyer, Johannes, Mag. Weihte im Jahr 1568 die fertig gestellte Stadtpfarrkirche ein
xx.09.1570 – 1571 Colestius, Georg, Dr. General-Superintendent über die Neumark; Ging nach dem Tod von Markgraf Hans nach Berlin
1571 – 1574 Meißner, Huldenreich, Mag.
1574 – 1581 Zander, Otto, Mag.
1581 – 1589 Pierius (Birnbaum), Urbanus, Dr.
1589 – 31.01.1611 Menius, Nicolaus, Mag.
1611 – 30.07.1628 Fleccus (Fleck), Johannes, Mag. feierte am 31.10.1617 das erste Reformationsfest in der Stadt Küstrin
1630 – 18.10.1674 Fesselius (Fessel), Daniel, Mag.
1676 – 12.03.1684 Schönberger, Georg, Lic.
1685 – 06.10.1719 Hofmann, Johann George Am 16.12.1648 als Sohn des Bürgermeisters in Küstrin geboren
07.11.1719 – 02.10.1738 de Neve, Johann Wilhelm Sohn des Wriezener Bürgermeisters Wilhelm de Neve
1738 – 08.07.1741 Büttner, Johann Friedrich
1741 – 15.03.1751 Bayer, Christoph Wilhelm
1751 – 1763 Sadewasser, Christian Friedrich
1763 – 30.09.1786 Hornejus, Theodor Friedrich
1787 – 1810 Seyffert, Johann Christian Seyffert war auch neumärkischer Regierungsrat
1810 – 1818 Bertuch, Jacob Wilhelm Bis 1818 Oberpfarrer, Superintendent bis zum Lebensende (ab 1818 von Zicher aus)
1818 – 1852 Dittmarsch, Theodor Friedrich Gottlob
1852 – 1857 Lüders, Gustav Adolf
1857 – 1867 Martins, Ludwig Wilhelm Karl
1866 – 1874 Schmeling, Alexander
1874 – 1886 Petri, Moritz Leopold, Dr.
1886 – 1888 Gielen, Hermann Alfred
1889 – 1896 Pfeiffer, Karl Adolf Theodor
1896 – 1900 Thiele, Karl Friedrich Otto
1902 – 1915 Janke, Johannes Philippus Ernst
1915 – 1924 Schrecker, Georg Decimus
1924 – 1930 nicht besetzt
1930 – 26.02.1937 Köhn, Ferdinand Gottlieb Wilhelm
1937 – 01.02.1939 Nagel, Heinz Johannes Karl Friedrich Franz
01.02.1939 – 31.10.1939 zeitweilig unbesetzt Superindendentatur wurde durch den Superintendenten i. R. Dr. Müller verwaltet
ab 01.11.1939 Gädigk, Wilhelm Paul Geboren am 29.11.1909 in Berlin-Schöneberg, war bereits seit 01.03.1938 Hilfsprediger in Küstrin und verwaltete die 1. Pfarrstelle

 

2. Pfarrstelle der Gemeinde (Archidiakon)

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Zeitraum Name Bemerkung
1547 – 1549 Marsilius, Kaspar, Lic. Wurde 1549 Hof-Prediger und Pastor der Schloßkirchengemeinde
1549 – 1551 Bayer, Leonhard, Mag.
1551 – 1568 Lasius, Christoph, Mag.
1568 – 1574 Zander, Otto, Mag. Wurde 1574 Superintendent in Küstrin
1574 – 1576 Capito (Haupt), Jacob, Mag.
1577 – 1613 Cäsar, Johann, Mag.
1613 – 1631 Elger, Johann Starb 1631 in Küstrin
1632 – 1658 Neander (Neumann), Josias, Mag. Im „Pfarrenbuch der Mark Brandenburg“ wird zwischen 1644 und 1652 ein Matthäus Bugäus erwähnt, danach soll die Stelle bis 1658 unbesetzt gewesen sein. Das widerspricht aber allen älteren Quellen.
1658 – 28.02.1662 Muthreich, Martin, Mag.
1662 – 1669 Hückel, Melchior, Mag. Starb 1669 in Küstrin
1669 – 03.10.1702 Gladow, David, Mag. Seit 1658 Con-Rektor in Küstrin. Er heiratete die Tochter des Superintendenten Eva Maria Fessel, sie starb aber bereits am 05.11.1669
1702 – 03.02.1712 Hänfler, Johann, Mag
1712 – 1714 Dietrich, Johann Friedrich, Mag.
1714 – 1723 Würful (Würfel), Siegismund, Mag.
1723 – 1730 Schmied, Peter Konrad
1731 – 1736 Birckholz, Johann Georg
02.06.1737- 1738 Büttner, Johann Friedrich, Mag.
1738 – 1741 Bayer, Christoph Wilhelm, Mag.
1746 – 1751 Riebschläger, Martin
1751 – 1759 Gründler, Johann Christian
1759 – 1767 Stelle nicht besetzt Zwischen 1763 und 1767 hatte der 1. Pfarrer einen Assistenten
1767 – 1799 Dittmarsch, Nathanael Gottlieb
1800 – 1810 Bertuch, Jakob Wilhelm
1810 – 1818 Dittmarsch, Theodor Ferdinand Gottlob
1818 – 1839 Schultz, Karl August
1839 – 1852 Lüders, August Adolf
1852 – 1870 Kozlowski, Anton Viktor
1870 – 1872 Kümmel, Johann Karl Theodor Ludwig
1872 – 1881 Schwebel, Gotthardt Emil Robert Oskar
1881 – 1885 Metzner, Leo Maximilian Ludwig Erdmann
1885 – 1896 Thiele, Karl Friedrich Otto
1896 – 1902 Steinbrecht, Wilhelm Nathanael Gottlieb
1903 – 1933 Parade, Gustav Julius Adolf
1934 – 31.01.1939 Nagel, Heinz Johannes Karl Friedrich Franz Geboren am 31.08.1905 in Parchim
01.02.1939 – 15.10.1939 zeitweilig unbesetzt
ab 16.10.1939 Weiss, Kurt Geboren am 24.12.1885 in Schleiz. Hatte neben der 2. Pfarrstelle auch den Posten des Superintendanten inne

 

3. Pfarrstelle der Gemeinde (Diakon)

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Zeitraum Name Bemerkung
1565 – 1568 Zander, Otto, Mag.
1568 – 1577 Cäsar (Kayser), Johann
1577 – 1588 Franzius, Joachim
1588 – 1611 Nigrinus (Schwarz), Georg
1611 – 1613 Elger, Johann
1613 – 1628 Scheritius, Georg
1629 – 1632 Neander (Neumann), Josias, Mag. war vorher Rektor in Küstrin und wurde danach Archidiakon
1633 – 1634 Pittelius, Johann
1634 – 1636 Possart, Johann
1644 – 1658 Muthreich, Martin, Mag.
1658 – 1662 Hückel, Melchior, Mag.
1662 – 1669 Gladow, David, Mag.
1669 – 1683 Schulze, Georg
1684 – 1702 Hänfler, Johann, Mag.
1702 – 1712 Dietrich, Johann Friedrich, Mag.
1712 – 1723 Schmied, Peter Konrad
1723 – ca. 1735 Dames, Andreas Christian
ca. 1736 Liebherr
1736 – 1738 Birckholz, Johann Georg
Um 1738 de Neve, Johann Wilhelm
1738 – ca. 1742 Gebhardi, Christian Ehrenfried
Ab ca. 1742 Stegemann, Johann Andreas Ludwig
ca. 1742 – 1751 Gründler, Johann Christian
1751 – 1759 Kube, Johann David
1759 – 1892 Stelle nicht besetzt
1892 – 1896 Troschke, Paul Friedrich Ferdinand
Ab 1896 nicht mehr besetzt

 

Assistenten des 1. Pfarrers

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Zeitraum Name Bemerkung
1763 – 10/1764 Everding, Ernst Philipp
1764 Schildner, Christian Friedrich
1764 – 1766 Winzerling, Christoph
22.04.1766 – 1767 Dittmarsch, Nathanael Gottlieb wurde am 12. nach Trinit Archidiakon

 

Sonstige Stellen

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Zeitraum Kantor / Organist Küster Kirchhofinspektor
1883 Meißner, Ed.
1883 – 1899 Lehmann, Fritz
1883 – 1887 Köppler, Gustav
1889 – 1907/08 Kördel
1905/06 Diede (Organist in Vertretung)
1907/08 Biergutz (Organist)
1913 – 1928 Riege, Theodor
1913 – 1928 Mixdorf, Karl

Neben den 3 Pfarrstellen waren auch immer wieder Hilfsprediger ist Küstrin angestellt. Einer von Ihnen, Karl Hanssmann, fiel sehr negativ durch einige Eigenmächtigkeiten auf und sollte auf Bitte der Gemeindevertreter entlassen werden. Er hatte seinen Hilfsdienst in Küstrin am 25.02.1937 angetreten und wurde am 13.09.1937 aus ungenannten Gründen von der Gestapo verhaftet. Über sein Schicksal ist mir nichts bekannt. Sein Stellvertreter wurde Gerhard Senftleben aus Dührungshof. Der Hilfsprediger Wilhelm Paul Gädigk war wiederum sehr beliebt in der Gemeinde und sollte bereits vor Ende seines Hilfsdienstes in Küstrin dort die 1. Pfarrstelle übernehmen. Das geschah dann aber erst gut ein dreiviertel Jahr später.

Gern hätte man gesehen, dass sich die Pfarrkirchengemeinde mit der doch reichen Schwestergemeinde, der Schlosskirchengemeinde, vereinigt hätte. Doch die Schlosskirchengemeinde wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, erst als im Laufe der Inflationszeit und der Weltwirtschaftskrise das Vermögen der Schlosskirchengemeinde stark schrumpfte, schwand auch die Ablehnung dagegen. Der Vorgang wird im Artikel über die Schlosskirchengemeinde ausführlich behandelt. Bis zur Gründung der Friedenskirchengemeinde im Jahr 1896 war die Pfarrkirchengemeinde  die größte protestantische Gemeinde der Stadt Küstrin.


Die MarienkircheMit seinem Übertritt zur Reformation ließ Markgraf Hans 1538 alle Zeichen des katholischen Glaubens aus der im Jahre 1396 erstmals erwähnten Marienkirche herausreißen. Sie verlor zu diesem Zeitpunkt offiziell den Namen "Marienkirche" und trug dann den Namen "Stadtpfarrkirche" bzw. "Parochialkirche".  Ihr alter Name hielt sich jedoch umgangssprachlich bis heute. Sie diente nun der lutherischen Gemeinde als Kirche. Die Geschichte dieser Kirche in der Zeit vor der Einführung der Reformation wird im Artikel über die römisch-katholische Gemeinde behandelt. Gehen wir jedoch noch einmal wenige Jahre zurück. Aufgrund von Verwahrlosung soll am 07.04.1491 (Original: Dinstag nach Crucis) in der Stadt ein großes Feuer ausgebrochen sein, verschont blieb wohl nur Kietz. Dies berichtet zuerst Seyffert in seinen "Annalen der Stadt Küstrin" und beruft sich dabei auf einen Befreiungsbrief des Kurfürsten Johann Cicero von Brandenburg aus dem Jahre 1492. Später wird das Thema von Kutschbach, im "Gedenkblatt zur ersten Säkularfeier" von 1887 und auch in "Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg" (1927) aufgegriffen. Dem "Gedenkblatt zur ersten Säkularfeier" von 1887 entstammen auch die folgenden Angaben darüber.

Ein Konfirmationsschein der Gemeinde

Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde (Seite 2)
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde (Seite 2)
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde (Seite 3)
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde (Seite 3)
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde (Seite 4)
Konfirmationsschein der Pfarrkirchengemeinde (Seite 4)

 

Nach dem Brand war die Kirche nur notdürftig wieder hergestellt worden. Im Jahre 1553 begann Markgraf Hans mit dem Wiederaufbau der Kirche. Dieser dauerte bis ins Jahr 1568. Es wird vermutet, dass der Baumeister der Festungen Cüstrin und Peitz - Antonio de Forno - auch für den Wiederaufbau der Kirche verantwortlich war. Er war eigentlich ein Anhänger der Renaissance, musste aber, da noch Reste der alten Kirche vorhanden waren, diese auch wieder im  gotischen Stil errichten. Diese Kirche wird wie folgt beschrieben:

Die Kirche war durchaus massiv von Backsteinen erbaut; ihr Gewölbe ruhte auf 10 starken, gemauerten Pfeilern, von welchen 5 auf jeder Seite standen. An dem Mittelpfeiler der Nordseite befand sich die Kanzel;  ihr gegenüber lag auf der Seite zu dem Schlosse zu der Kirchenstuhl des Markgrafen auf einer Empore. Die Decke des Letzteren wies viele allegorische Darstellungen auf;  die Gestalten des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, der Beständigkeit und der Andacht waren hier in schönen Malereien angebracht.; nach dem Kirchenschiffe zu aber war diese Loggia durch das kurfürstliche Wappen und einen lang herabhängenden Scharlachvorhang abgeschlossen. Die Kanzel war eine reich vergoldete Holzbildhauer-Arbeit; an ihrer Brüstung befanden sich die zwölf Apostel mit den vier Evanglisten; der Schalldeckel aber trug vorn in einer Glorie die Gestalt des auferstandenen Fürsten des Lebens mit der kreuzgeschmückten Siegesfahne. Dann spitzte sich das Werk gleich einem durchbrochen gothischen Thurme allmählig  nach oben zu; der oberste Knauf trug einen seine Jungen mit dem Herzblute labenden Pelikan, das uralte Symbol der Erlösung, in vergoldetem Neste. Über dem Prediger schwebte die Taubengestalt des heiligen Geistes, unaufhörlich sich bewegend; hinter ihm lag auf goldener Schüssel das bereits oben erwähnte, blutende Haupt Johannes des Täufers.

Zur Kanzel führten 14 Stufen, über der Tür zur Kanzel stand "Ich bin die Thür; so jemand durch mich eingehet, der wird selig werden  - Ev. Joh. 10, 9", auch die Innenseite war mit einem Vers versehen: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht - Ev. Luk. 21, 33".  In einigen Quellen wird immer wieder der weiße Hochaltar der Kirche erwähnt - der je nach Quelle aus Alabaster oder Marmor gewesen und in Venedig gefertigt worden sein soll. Einmal wird sogar ein Preis von 192.000 Gulden genannt. Belegt werden konnten der Preis und der Entstehungsort aber nie. Dieser Altar stellte Jesus triumphierend über den Tod und Teufel dar. Fertig gestellt wurde der Altar im Jahr 1562, im Jahr 1707 wurde er erneuert und vergoldet.  Unter dem Altar  waren lebensgroß und aus Marmor gefertigt der kniende Markgraf Hans samt seiner Frau und den beiden Töchtern Elisabeth und Katharina dargestellt, diese Stauen stammen jedoch aus der Regierungszeit des Kurfürsten Joachim Friedrich (1598-1608).

1580 erhielt die Kirche für 200 Gulden einen neuen Altar, der aber schon kurze Zeit später wieder entfernt und an die Kirche in Rathstock verkauft wurde. Im Jahre 1596 wurde der obere Teil des Turmes neu gebaut. Der Maurer pfuschte jedoch und baute ihn zu niedrig, so dass dieser Teil ein Jahr später noch einmal neu gebaut werden musste.  Die hölzerne Kanzel wurde 1595 erbaut und 1709 renoviert.  Die Umbauarbeiten in Inneren der Kirche um 1595/96 hatten den Grund, dass die in Cüstrin lebenden Hohenzollern Joachim Friedrich und Johann Sigismund die Verzierungen der Kirche nach lutherischer Art nicht mochten. Unterhalb der Kanzel und der Abbildung eines Sternenhimmels befand sich das Taufbecken, der Ständer war aus Holz, das Becken selbst aus Zinn. Dieses wurde im Jahr 1665 von Adam Simon Böhm, C. B. Rentsch und Elisabeth Müller gestiftet. In den Deckel des Taufbeckens waren Engelsköpfe und diverse Inschriften eingraviert. An den schon erwähnten Säulen befanden sich Monumente für verschiedene Familien und Persönlichkeiten. Diese Monumente werden ausgiebig in "Die evangelischen Kirchen der Stadt Küstrin, Prof. Dr. Gustav Berg, Marienburg, Schriften des Vereins für die Geschichte der Neumark, Nr. 24, 1910, Seiten 1 - 33" beschrieben, darauf möchte ich an dieser Stelle verzichten. Äußerlich wird die Kirche als schmucklos beschrieben. Innerlich veränderte sich die Kirche nach dem 30jährigen Krieg sehr, die neu nach Küstrin gekommenen Behörden bauten sich eigene Loge ein, fromme Familien, leisteten sich reich verzierte Kirchenstühle. Die verschiedenen Gewerke spendeten Kerzen, so dass zu manchen Anlässen fast 100 davon brannten. Die Kirche verfügte über diverse Chöre, jede Zunft hatte einen:

  • Dohna'sches Chor
  • Bismarck'sches Chor
  • Maurer-Chor
  • Zimmermanns-Chor
  • Gewandschneider-Chor
  • Pantoffelmacher-Chor
  • Schiffer-Chor
  • Kietzer-Chor
  • Schuster-Chor
  • Bürger-Chor
  • Raths-Chor
  • Offiziers-Chor
  • Juristen-Chor
 

Gegenüber der Kanzel, mittig an der südlichen  Seitenwand der Kirche befand sich das markgräfliche Chor. In Höhe des ersten Stockwerks war es bis ins Jahr 1730 durch einen mit Kupfer gedeckten Gang, der auch über die Gräben am Schloss führte, direkt mit Selbigem verbunden. Die Decke des Chors war mit Malereien ausgestattet, das kurfürstlich brandenburgische Wappen war an einer Wand unterhalb einer roten Decke mit Fransen angebracht. Die wenigen Fenster, die mit Glasmalereien zeigten, waren von Zünften gespendet worden. So auch ein Fenster in der Nähe des Altars, das die Schuhmachergilde gestiftet und auch für die Pflege und den Erhalt zu sorgen hatte. Auch die Schmiedezunft hatte wohl ihr eigenes Fenster.

Der Turm wurde beim Bau des oberen Teils im Jahre 1597 wohl nicht richtig verankert, er wurde baufällig, schwankte bei jedem Läuten und drohte umzukippen, so dass er 1652 ausgebessert werden musste. Der nun mit Kupfer gedeckte Turm bot 4 Glocken Platz, je eine mit 32, 16, 8 und 4 Zentner Gewicht. Bei einem Sturm 1655 wurde die Spitze des Turmes heruntergerissen und erst drei Jahre später - 1658 - wieder neu errichtet. Im Jahre 1675 wurde das Kircheninnere renoviert. Über dem Altar wird immer wieder ein weiterer kleiner "Kietzerturm" erwähnt, der Mitte des 17. Jahrhunderts wohl auch schon sehr baufällig gewesen sein soll. Ob er noch einmal repariert wurde, ist nicht bekannt. Später finden sich keine Informationen mehr darüber.  Einen Friedhof hatte die Kirche zu Beginn des 18. Jahrhunderts schon lange nicht mehr, dieser befand sich etwa seit der Zeit von Markgraf Hans im südlichen Teil der Altstadt, am Standort der späteren "alten Artilleriekaserne".  Die von einem Orgelbauer aus Reetz im Jahr 1703 erneuerte und zwischen zwei Chören stehende Orgel war ebenfalls aus Holz und hatte 4 Register.

1723 wurde für den Kirchturm eine Uhr angeschafft. Im Jahre 1727 wurden der Kirche 38 Dukaten von einem Unbekannten gespendet, der sich wünschte, davon sollten zwei silberne Leuchter gekauft werden. Dies geschah auch, die Kosten darauf beliefen sich auf 139 Thaler. 1736 traten auch in Küstrin einige kirchliche Reformen in Kraft: Am Altar sollte nicht mehr gesungen werden, die Chorröcke und Kaseln (Messgewänder) der Pfarrer wurden abgeschafft. Auch die Privatbeichte sollte von da an nicht mehr unbedingt notwendig sein. Im Jahre 1748 wurden die Kirche und der Turm mitsamt dem Glockengestühl repariert und die Glocken umgegossen.

Zusammen mit der Stadt und Kirche verbrannte 1758 auch die Bibliothek darin. Von der Kirche blieben nur die Außenmauern erhalten, auch die Hohenzollerngruft wurde stark in Mitleidenschaft gezogen und deren Gewölbe von Bomben durchschlagen. Schutt füllte die Gruft. Da Friedrich der Große darauf bestand, zuerst die zivilen Häuser der Stadt wieder aufzubauen, mussten die öffentlichen, kirchlichen und herrschaftlichen Gebäude bis 1767 warten. In diesem Jahr begann man mit dem Wiederaufbau der Kirche unter Nutzung der Ruine. Der Grund war wohl, das Geld gespart werden sollte. Es sollte wohl kein Gewölbe mehr eingezogen werden, man nutzte ein Hängewerk aus Holz, das von unten wie ein Gewölbe wirkte.  Der neu erbaute Hochaltar bestand ebenfalls aus Holz. Die Orgel mit 32 Stimmen und 8 Nebenregistern wurde durch den Neuruppiner Orgelbauer Scholz für 2500 Thaler erbaut. Gegenüber dem Altar befanden sich nun die Logen für das "Gouvernement" und die Landeskollegien. Der Turm erhielt, um das Mauerwerk beim Läuten der Glocken nicht mehr so zu belasten,  einen im Inneren des Turmes stehenden und bis zum Boden reichenden Glockenstuhl. Die Turmspitze war somit nicht gemauert, sondern bestand aus Holz. Der Turm erhielt auch eine neue Uhr. Die Spitze wurde einer mit Sandstein-Galerie und Sandsteinvasen verziert sowie mit Kupfer gedeckt. Eines vergaß man aber beim Wiederaufbau: die Gruft von Markgraf Hans. Es sollte - vom Datum der Wiedereinweihung 1770 an -  110 Jahre dauern, bis sie wieder aufgebaut wurde.

Der Zustand der durch den Brand geschwächten Mauern wurde durch bauliche Maßnahmen noch weiter verschlechtert. Der erste Gottesdienst in Küstrin fand erst einige Wochen nach dem Brand statt. Er wurde durch den Konsistorialrat Christian Friedrich Sadewasser neben der Ruine der Pfarrkirche durchgeführt. Erst danach begann die wechselnde Nutzung der Garnisonskirche, die den Brand unbeschadet überstanden hatte. Die Gemeinde nutze die Kirche am Wall in der Zeit zwischen  10 und 12 Uhr. Der letzte Gottesdienst der Gemeinde in der Garnisonskirche fand am Karfreitag 1770 (13.4.1770) statt. Am Ostersonntag (15.4.1770) wurde die neu errichtete Pfarrkirche eingeweiht. Was zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand ahnte: Die neue Kirche sollte nicht lange ihrem Zweck dienen können.

Nach und nach traten immer mehr Risse auf, da die geschwächten Mauern das schwere Dach nicht tragen konnten. Die oberen Teile der Mauern waren wohl bereits bis zu 5 Zoll (ca. 12,5 cm) durch das Dach nach außen gedrückt worden. Bei der Taufe des "bekehrten Juden" Abel Marcus am 05.09.1779 war die Kirche so voll, dass man aufgrund der Baumängel zu der Erkenntnis kam, dass die erst vor 9 Jahre wieder hergerichtete Kirche nicht mehr sicher zu benutzen war. Die Orgel und der Altar wurden entfernt und die Kirche und die Kirche geschlossen. Die Gemeinde musste nun die Schlosskirche nutzen. 

Am 22. Oktober traf  der Kurmärkische Oberbaurat Naumann in Küstrin ein, um sich als Sachverständiger ein Bild der Lage zu machen. Er ordnete sofort die Entfernung des Daches an. Mit Ausnahme des Turms, war der Rest der Kirche nicht mehr zu retten. Für die Baumängel wurde ein namentlich nicht genannter, inzwischen verstorbener königlichen Baurat verantwortlich gemacht. Er hatte die baulichen Änderungen 1767 angeordnet, die zur Destabilisierung der Kirche beigetragen hatten. Deshalb sollte auch die Königliche Kasse den Wiederaufbau bezahlen. Dafür wurden 9000 Thaler veranschlagt.

Entwurf der neu zu erbauenen Marienkirche von 1780 (Ausschnitt 1)Doch da hatten die Herren die Rechnung ohne den König gemacht, der in dieser Angelegenheit zu entscheiden hatte. Seine Majestät war - wie würde es heute eine europäische Monarchin ausdrücken - "not amused". Er erhielt das entsprechende Schreiben am 18.05.1780 und antwortete mit einer Kabinettsorder am 21. des Monats. Er meinte darin wohl, "sie seien wohl nicht gescheit,  schon wieder eine neue Stadtkirche zu verlangen, der Zustand werde wohl nicht so schlimm sein". Was der König nicht wusste: die 9000 Thaler hätten nicht gereicht, ein Entwurf von Naumann hätte über 13000 Thaler gekostet. Der Magistrat der Stadt stellte erst am 12. Dezember 1780 eine neue, direkte Anfrage an den König. Diesmal wies er sie nicht sofort ab, sondern forderte einen Kostenvoranschlag an. Die 13000 Thaler waren dem König wohl zu viel, so dass er die Bitte am 23.12.1780 ablehnte und um Geduld bat. Der Konsistorialrat Hornejus richtete am 26.02.1782 erneut eine Immediateingabe an den König.

 

Entwurf der neu zu erbauenen Marienkirche von 1780 (Ausschnitt 2)Dieser erinnerte sich an den Vorgang und ließ anfragen, wie weit denn der Bau sei, er habe die Kirche doch schon fertig gesehen. Als er von seinem Irrtum erfuhr, ließ er durch den Oberbaurat Naumann eine neuen Kostenvoranschlag erstellen. Nach diesem sollte die Kirche nun 10173 Thaler kosten. Doch aus diesmal floss kein Geld, da die Staatskassen dies wohl nicht zuließen, wie aus einem Schreiben des Königs vom 19.03.1782 hervorging. Erst Ende 1783 wahr wieder Geld im Staatssäckel. Friedrich der Große fragte beim General-Direktorium an, welche ausgebrannten Städte noch Unterstützung für den Wiederaufbau benötigen. Nun wurde ihm der Neubau der Kirche wieder auf den Tisch gelegt. Im Juni 1784 bewilligte er schließlich 10000 Thaler für den Wiederaufbau und bemerkte, dieser sollte, wenn möglich noch in diesem Jahr, fertiggestellt werden. Der Wiederaufbau dauerte aber fast 3 Jahre.

 

Die Decke bestand nun aus 70 Balken und wurde durch Säulen aus Holz gestützt, die zugleich die Chöre tragen mussten. Der Altar, die Orgel, die Kanzel und auch die Bestuhlung wurde wiederverwendet. Die neue Stadtpfarrkirche wurde erst am 20.05.1787 (Christi Himmelfahrt) durch den Konsistorialrat Johann Christian Seyffert (Autor der Annalen der Stadt Cüstrin, 1801) und den Züllichauer Konsistorialrat und Oberprediger Carl Samuel Protzen eingeweiht. Das Gemälde hinter dem Hochaltar stammte von Andreas Krüger, einem Freund und auch Schüler des Historienmalers Christian Bernhard Rode.

Kurz nach Beginn der Besetzung der Stadt durch die Franzosen wurde die Kirche zu einem Stroh- und Heumagazin umgewandelt. Die Fenster wurden zerschlagen, die Sitzbänke verbrannt, das Altarbild durch einen Säbelhieb beschädigt und die Leuchter gestohlen. Um die Feuerfestigkeit zu erhöhen, wurde während der Belagerung der Stadt 1813/14 der Turm durch eine Mauer vom Rest der Kirche abgetrennt. Diese Mauer wurde direkt durch die Orgel gebaut. Viel mehr als der Rohbau scheint nicht mehr erhalten gewesen zu sein.

Die Pläne des Innenausbaus von 1815 sollen von Karl Friedrich Schinkel gewesen sein. 19 Stufen führten nun zum Altarraum hinauf, beim Altarbild wird nun von einer Radierung nach dem Gemälde "Christi Himmelfahrt" von Christian Bernhard Rode gesprochen. Erst einige Jahre nach dem Abzug der Franzosen, im Jahr 1817, wurden die Chorbrüstung und die Decke im Inneren erneuert. Nach dem Umbau von 1815, der 15.000 Thaler gekostet haben soll, waren nur einige Teile der alten Ausstattung erhalten:

  • das Orgelgehäuse mit Verzierungen im Rokokostil
  • 2 Altarleuchter (1767 durch Anna von Bohlen gestiftet)
  • 3 Brustbilder, dabei eines von Luther, dieses wurde von Cranach um 1570 auf Holz gemalt
  • einige Grabsteine und Grabplatten
  • die Gruft des Markgrafen Hans
  • 4 Glocken, gegossen im Jahr 1769 von Friedrich Gotthold Körner (aus Freystadt, Oberpfalz)

Das Äußere der Kirche wurde im Jahre 1896 renoviert und das Giebelfeld mit neuen Skulpturen versehen.Wir machen nun einen kleinen Zeitsprung in Jahr 1928. Im kalten Winter diesen Jahres wurde der Heizkessel der Kirche so beschädigt, dass für 2241,05 RM ein Neuer beschafft werden musste. 1938 war die Kirche so renovierungsbedürftig geworden, dass auch das preußische Staatsbauhochamt in einem Besichtigungsbericht vom 20.03.1937 die Arbeiten im Innen- und Außenbereich als "sehr dringend" einstufte. Der Kostenvoranschlag für die Maurer- und Malerarbeiten im Außenbereich belief sich auf 8500 RM, wovon die Gemeinde nur 2000 bis 3000 RM aufbringen konnte. Der Staat als Patron musste Holz, Steine und Kalk einstehen. Wegen der Finanzierungslücke wandte  man sich am 20.10.1938 an das evangelische Konsistorium mit der Bitte um eine Beihilfe aus den Mitteln des Kur- und Neumärkischen Ämterkirchenfonds. Die Außensanierung sollte im Frühjahr 1939 beginnen.

Innenaufnahmen der Kirche

Nahaufnahme der Orgel
Nahaufnahme der Orgel
Innenaufnahme der Marienkirche
Innenaufnahme der Marienkirche
Nahaufnahme des Altars
Nahaufnahme des Altars
Die Gruft von Markgraf Hans
Die Gruft von Markgraf Hans

 

Nach einer erneuten Begehung der Kirche am 26.01.1939 mit dem Provinzial-Konservator wurde ein neues Gutachten erstellt. Am 01.02.1939 unterstrich das Kirchliche Bauamt noch einmal die festgestellten Schäden und gab auch Details zu den Arbeiten im Innenraum bekannt: Der Vorraum der Sakristei und die Sakristei selbst sollten instandgesetzt werden, in der Gruft des Markgrafen sollten beschädigter Putz und Steine ausgebessert werden. Das Mauerwerk der Gruft sollte danach mit einer Kalkschlämme überstrichen und gemalert werden. Die Kosten für die Außen- und Innenarbeiten wurden nun auf 12.000 RM geschätzt. Zur Finanzierung wurde vorgeschlagen, die Gemeinde solle sich mit 5000 RM, der Staat als Patron mit 500 RM, das Konsistorium mit 2500 RM, der Oberkirchenrat mit 2000 RM und der Provinzialkonservator mit 2000 RM  beteiligen.

Aus dem Gutachten nach der erneuten Begehung geht auch hervor, dass geprüft werden sollte, ob die Zitat "1895 zugefügten Bereicherungen der Architektur, besonders an der 3 Eingängen", wieder entfernt werden sollten. Als Vorlage für die Arbeiten im Außenbereich sollte eine Lithografie aus dem Bestand des Vereins für die Geschichte Küstrins e.V.  dienen, die die Kirche vor der Sanierung im Jahr 1895/96 zeigte. Der Außenputz sollte nun nicht mehr nur ausgebessert, sondern komplett erneuert werden. Der Gemeindekirchenrat holte nun von Küstriner Unternehmern einen eigenen Kostenvoranschlag ein:

  1. Firma Rudolf Seefeld (Arbeiten an Gruft, Flur, Sakristei und Außenbereich + Material) 11.220 RM
  2. FIrma Eisenach (neuer Heizkörper für die Sakristei) 140 RM
  3. Firma Torff (Dacharbeiten und Dachrinne) 741,35 RM
  4. Firma Stollorcz (Dachdeckerarbeiten) 119,42 RM
  5. Firma Hirt (Malerarbeiten) 3.389,40 RM

In der Summe machte das 15610,17 RM, die Gemeinde wollte oder konnte aber nur 4.000 RM davon selbst tragen. Soweit der Plan. Dieser Kostenvoranschlag sollte nun im März 1939 dem Staatshochbauamt zu Prüfung vorgelegt werden. Auch die "Neumärkische Nationalpost" vom 24.02.1939 meldete, die Bauarbeiten am Außenbereich der Kirche sollten "noch in diesem Jahr" beginnen. Am 14.03.1940, als gut ein Jahr später, verfügte das preußische Staatshochbauamt, dass die Wiederherstellungsarbeiten bis nach Kriegsende zurückgestellt werden würden. Wer meinen Artikel über die Schloßkirchengemeinde kennt, wird vielleicht gerade ein kleines Déjà-vu erleben - denn dort war es mit den Instandhaltungsarbeiten genauso.

Das Pfarrhaus

Portal der Kirche mit Markgrafen-DenkmalDas Pfarrhaus wurde vermutlich um 1455 in der Südwestecke der Kirche erbaut und war durch einen Zwischenbau mit ihr verbunden. Während der Regentschaft von Markgraf Hans wurde das Pfarrhaus abgerissen. Auf dem Gelände des alten Friedhofs neben der Kirche wurde durch die Stadt das Haus der ersten Predigers und das Schulhaus neu erbaut. Ab 1541 wurde dem Pfarrer des Grundstück mit dem späteren Haus Nr. 200 als Garten überlassen.

Im Jahre 1720/21 wurde das Pfarrhaus mit Unterstützung des Hospitals neu gebaut und vergrößert. 1732/33 wurden die Diakonatshäuser (Schulstraße Nr. 51-52) neu gebaut. Die 51 bewohnte ab ca. 1675 der Archidiakon, die 52 der Diakon. Beim großen Brand 1758 wurden alle diese Häuser vernichtet. Das Pfarrhaus wurde an der alten Stelle wieder aufgebaut, an der Schlossfreiheit Nummer 201.

 

In einem Bericht aus dem Jahr 1927 ist die folgende Beschreibung des Pfarrhauses enthalten: "Das Pfarrhaus ist zweigeschossig. Unten rechts befindet sich der Gemeindesaal, links vom Flur die Küsterei und das Amtszimmer des Pfarrers. Es hat 7 Zimmer in der Gesamtgröße von 151 qm. Das Pfarrhaus befindet sich in einem ordentlichen Bauzustand. Vorgesehen sind: Umdecken das Daches, Gesamtrenovierung der Wohnung, unter Berücksichtigung von Wünschen des neuen Stelleninhabers."

Das die Küsterei im Pfarrhaus keine dauerhafte Einrichtung war, belegt ein Schreiben vom 21.04.1937 an das evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg (Aufsichtsbehörde) mit der Bitte, die Küsterei in das Pfarrhaus verlegen zu dürfen. Man begründete dies mit den schlechten räumlichen Verhältnissen in der Küsterwohnung, die dieser auch für Amtszwecke nutzte. Auch unter Oberpfarrer Janke war die Küsterei scho einige Jahre im Pfarrhaus untergebracht gewesen.

Erhaltene Kunstschätze

Die erhaltenen KirchenschätzeDurch die Wirren aller Jahrhunderte und Zerstörungen der Kirche blieben drei Kunstschätze bis heute erhalten: Eine Abendmahlskanne, eine Oblatendose und ein Abendmahlskelch. Die aus Silber bestehende Kanne wurde im Jahr 1650 durch den Apotheker und  damaligen Bürgermeister Küstrins Georg Heinrich Boltzmann und seiner Frau Eva Maria, geb. Freind gestiftet. Im Jahr 1809 befand sie sich noch in Preußen, erst 1893 kam sie laut einem französischen Einfuhrstempel nach Frankreich. Dort wurde sie in den 1980er Jahren wiederentdeckt. Die Oblatendose stammt vom gleichen Stifterehepaar. Dieses hatte wohl schon 1649 eine Abendmahlskanne gestiftet und nachdem Boltzmann Bürgermeister geworden war, stifteten Sie 1650 eine neue mit der entsprechenden Inschrift. Das Silber der alten Kanne wurde dann für die Dose verwendet. Der Abendmahlskelch wurde wahrscheinlich in  der Zeit zwischen 1645 und 1652 von Georg Ehrenteich von Burgsdorff gestiftet. Burgsdorff war ab 1652 Gouverneur der Festung Küstrin. Alle drei überstanden die Bombardierung Küstrins durch die Russen im August 1758 in einem massiv gemauerten Raum mit 3 Türen aus Eisen, hinter dem Altar der Pfarrkirche. Einen umfangreichen Artikel dazu finden Sie im Königsberger Kreiskalender 2013.


Markgraf Hans von Küstrin ließ seine Gruft ab 1555, dem Jahr als seine Mutter verstarb, unter dem Altar der Stadtpfarrkirche erbauen. Am 13. Januar 1571 starb er und wurde am 01. Februar in seiner Gruft beigesetzt. Über seiner Gruft stand die Inschrift "Solus spes mea Christus" (Christus allein, soll meine Hoffnung sein). Der Sarg des Markgrafen war sehr schlicht. Er bestand aus Zinn und ein Kreuz war ihm aufgelötet. Die Aufschrift war nur eingeritzt. Eine Messingtafel an der Wand der Gruft enthielt folgenden Text:

Johannes, Markgraf von Brandenburg, ein Sohn Markgraf Joachims, dieses Namens des Ersten, Kurfürsten zu Branden-
burg u.s.w., hat durch Gottes Providence im Jahre nach Christi Geburt 1536 angefangen, die reine Lehre des heiligen Evangelii
und Wortes Gottes Inhalts der Augsburgischen Confession nach prophetischer und apostolischer Schrift allhier zu Cüstrin und folgends durchs ganze Fürstenthum der Neumark und in anderen seinen Herrschaften und Landen öffentlich lehren zu lassen, und ist ob solchem Bekenntnisse aus Gnaden des Allmächtigen beständig geblieben und hat durch deselbigen Hülfe die Seinigen dabei erhalten. M.D.L.V. (1555) Sulus spes mea Christus. Amen.

Die Gruft von Markgraf Hans
Gedenktafel in der Gruft des Markgrafen Hans
 

In dieser Gruft wurden auch seine Frau Katharina (1574), Markgraf Friedrich (Johannitermeister von Sonnenburg, Sohn von Kurfürst Johann Georg und dessen zweiter Frau Elisabeth von Anhalt, gestorben 1611) und Markgraf Georg Albrecht (Bruder von Markgraf Friedrich, verstorben an seinem eigenen Geburtstag am 19.11.1615), beigesetzt. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Gruft in Vergessenheit geraten und auch der Eingang nicht mehr bekannt. Im Frühjahr 1813 ließ der französische Kommandant der Festung, Fournier d' Albe die Hohenzollerngruft suchen und öffnen. Schätze wurden keine mehr gefunden, die Eichenteile der Särge waren verrottet, die Teile aus Zinn wohl aber noch in einem guten Zustand. Wieder vergingen einige Jahrzehnte.

Eines Tages schlug ein kalter Blitz in die Kirche ein und riss ein Loch in den Boden.  Dadurch wurde die Gruft des Markgrafen Hans wiederentdeckt - soweit die Sage. In Wirklichkeit trug es sich folgendermaßen zu: Kronprinz Friedrich Wilhelm fragte im Jahre 1880  beim Regierungspräsidenten, Graf Villers, in Frankfurt (Oder) an, ob es denn in Küstrin ein Denkmal für Markgraf Hans gäbe. Dieser erkundigte sich beim Oberpfarrer der Pfarrkirchengemeinde, ob denn das Gewölbe unter dem Altar, dass Seyffert in seinem Buch erwähnt, noch existieren würde. Auf diese Anfrage begann die Kirchengemeinde mit Ihren Nachforschungen und ließ Grabungen durchführen. Mit den Grabungen wurde der Regierungsbauführer L. Hermann beauftragt, der zu dieser Zeit bereits an der Oderbrücke in Küstrin baute.

Die Grabungen begannen unter der südlichen, zum Hochaltar führenden Treppe. Dort stieß man schnell auf das Grabgewölbe der Prinzen Friedrich und Georg Albrecht. Friedrichs Sarg war wohl noch gut erhalten, der von Georg Albrecht gewölbt und dessen Deckel hatte mehrere runde Löcher, die wahrscheinlich Spuren der russischem Bombardierung im Jahre 1758 waren. Dieser Sarg enthielt zwei Schädel. Man grub weiter und entdeckte eine große Steinplatte. Nach dem Heben erkannte man, dass es sich dabei um die Gedenkplatte des Schlieben'schen Gewölbes handelte.  Diese Gruft mit den völlig zerfallenen Holzsärgen der Kinder (des Adam von Schlieben ?) fand man darunter. An dieser Stelle wurde später der neue Zugang zur markgräflichen Gruft angelegt, so dass, dieses Gewölbe verschwand.  Die Gedenktafel fand einen Platz in der Kirche.

Man grub weiter und fand nur noch Schutt, jedoch nicht Markgräfliche Gruft. Da zog ein Kreuz-Relief an der Ostwand der Kirche die Aufmerksamkeit auf sich und man fand kurz unter dem Fußboden eine Gewölbewand. Man grub unter der Sakristei noch einmal und  fand schließlich am 29.07.1880 die Gruft von Markgraf Hans und seiner Frau. Der Sarg des Markgrafen war stark zerstört und mit Schutt bedeckt, der Inhalt des Sarges lag auf dem Boden verstreut, der Kopf des Markgrafen fehlte. Die Sarg von Markgräfin Katharina war fast unbeschädigt. Alle Särge wiesen jedoch Spuren von Öffnungsversuchen auf. Ob der Bericht über den Zustand der Särge von 1813 nun einfach nicht stimmt, oder die Franzosen die Gruft in diesem Zustand hinterlassen hatten, ist nicht überliefert. Am 31.07.1880 besuchte der Oberpfarrer Petri die Gruft und schicke danach einen Bericht an den Regierungspräsidenten.

Der Regierungspräsident ließ durch den Regierungsbauführer Hermann und den Regierungsbaurat Morstein einen Plan zur Wiederherstellung des Gruft aufstellen und dem Kronprinzen zukommen. Nachdem dieser den Plan, nach einer Revidierung durch Hofbaurat Persius, genehmigt hatte, wurde  mit den Bauarbeiten, deren Kosten die Stadt Küstrin freiwillig übernahm, begonnen. Die Särge (mit Ausnahme des Sarges des Prinzen Friedrich) wurden heraus geräumt und die sterblichen Überreste sorgsam aus dem Schutt gesiebt bzw. aus den alten Särgen entnommen. Der Deckel des Sarges von Markgräfin Katharina und der Sarg des Prinzen Georg Albrecht wurden in  der Berliner Sargbaufirma von F. D. Kersten repariert. Für den Markgrafen Hans wurde ein neuer Sarg gefertigt. In die neuen, Metallsärge legte man zuerst Holzkästen, ließ aber ringsherum noch so viel Platz, dass man die Reste der alten Metallsärge noch mit hineinlegen konnte. In die Holzkisten kamen die sterblichen Überreste.  Den Kopf des Markgrafen fand man wohl nicht. Man vermutete wahrscheinlich, dass der zweite Kopf im Sarg des Prinzen der des Markgrafen war, beließ ihn aber im Sarg des Prinzen. Die Gedenktafel für den Markgrafen wurde neu vergoldet.

Nach dem Ausräumen begann man mit dem Ausbau der Gewölbe, sie wurden nun durch einen Gang verbunden. Bei den Arbeiten zum neuen Zugang stieß man auf eine weitere Gruft, in der sich prächtig verzierte, übereinander stehende Kupfersärge befanden. Die Aufschriften der Särge konnte man nur zum Teil entziffern, es handelte sich dabei um die Gruft der Familie zu Dohna, genauer gesagt die Gruft des ehemaligen Gouverneurs Küstrins, Graf Christian Albrecht zu Dohna (*15.11.1621 +14.12.1677), seiner Frau Gräfin Theodora zu Dohna (geborene Gräfin zu Holland, *15.03.1620 +23.09.1678) und deren Söhnen Carl-Emil (*10.09.1658 +03.07.1686) und Ditrich (*xx.12.1650 +17.07.1686). Eine ältere Quelle, das "Historische Portefeuille" (siehe unten) nennt den fünften, fehlenden Namen: Ursula Anna Burggräfin und Gräfin zu Dohna (*1655 +14.05.1678). Die Dohna'sche Gruft wurde zugemauert und mit einer Tafel versehen. Die Bauarbeiten wurden am 01.07.1882 beendet und die restaurierten Grüfte am 15.08.1882 durch die die Stadt als Bauherren der Pfarrkirchengemeinde übergeben. Besichtigungen wurden nach Anmeldung beim Küster ermöglicht. Am 25.06.1883 besuchte Kronprinz Friedrich Wilhelm, als er auf dem Weg nach Sonnenburg zum Ordensfest war, zusammen mit dem Herzog von Edinburg (späterer Herzog von Sachsen-Koburg-Gotha) die Grüfte.

 

Zur Pfarrkirchengemeinde gehörten auch Kietzerbusch, Neu-Bleyen, Küstrin-Kietz (bzw. früher Kietz bei Küstrin und die Lange Vorstadt), sowie bis 1896 auch die Kurze Vorstadt. Der Inhaber der ersten Pfarrstelle hatte neben der Altstadt auch Kuhbrücke und Kietzerbusch mit zu versorgen, der Inhaber der zweiten Pfarrstelle Küstrin-Kietz (bzw. Kietz und die Lange Vorstadt), sowie Neu-Bleyen. In der Marienkirche in der Altstadt und in Kietz (dort im Saal der Herrnhuter Brüdegemeinde, da es keine Kirche gab)  fand der Gottesdienst jeden Sonntag statt, in Neu-Bleyen nur alle vier Wochen. Betrachten wir die Teile der Gemeinde in Küstrin-Kietz und Neu-Bleyen etwas genauer:

Küstrin-Kietz.

Auch für Kietz und die Lange Vorstadt gab es einen Kirchenverein, den "Verein für kirchliche Angelegenheiten in dem Kietz und der Langen Vorstadt Cüstrin". Zu dessen Aufgaben zählte auch dafür Sorge zu tragen, "daß die nothwendigen Mittel zum Bau einer eigenen Kirche, und , bis diese fertig gestellt ist, die Mittel zur Abhaltung von Gottesdiensten und gottesdienstlichen Handlungen hierselbst durch Geldsammlungen aufgebracht werden." Der Bau eines Pfarrhauses in Kietz war mindestens seit 1903 geplant, es gab jedoch Streit um die Entwürfe. Die Umsetzung des Entwurfs von Konsistorial-Baurat Büttner wurde am 04.07.1907 in Anwesenheit des Superintendenten Niemann und des Konsitorialpräsidenten Steinhausen bei der Sitzung der kirchlichen Körperschaften der Pfarrkirchengemeinde beschlossen.

Das Pfarrhaus Küstrin-Kietz in der ZiegeleistraßeDer Bau auf dem Grundstück Ziegeleistraße 86 begann im August 1907 und war  im September 1908 bereits beendet. Das Grundstück war laut Plan wie folgt aufgeteilt (von Nord nach Süd): 3 Meter Weg, 27 Meter Kirchenfront, 10 Meter Weg und 20 Meter Pfarrhausfront. Zum Kirchenbau kam es aber nie, so dass die Gemeinde den Betsaal der Herrnhuter Brüdergemeinde nutzte. Für die zu zahlende Miete erhielt die Gemeinde in der Zeit von 1925 und 1930 jährliche Beihilfen in der Höhe von 350 bis 500 RM.

Ab 1907/08 kursierte auch die Idee für Kietz, die Lange Vorstadt, Kuhbrücke und Neu-Bleyen eine eigene Pfarrgemeinde zu gründen und diese von der Pfarrkirchengemeinde zu trennen. Die Planspiele gingen so weit, dass bereits Etats aufgestellt und Vertragsentwurf erarbeitet wurden. Die Gemeinde sollte den Namen "Cüstrin-Kietz" tragen. In diesem Vertrag sollte festgeschrieben werden, dass der Archidiakon nur noch für diese Gemeinde zuständig sein und nicht mehr in der Pfarrkirche wirken sollte. Mitglieder der neuen Gemeinde sollten das Recht behalten, weiter die Pfarrkirche zu besuchen / zu nutzen. Die neue Gemeinde sollte nicht zum Bau einer Kirche gezwungen werden, solange die Finanzierung nicht gesichert sei. Der Entwurf nennt als Datum der Trennung den 01.04.1909.

Die Ansichten dazu waren allerdings sehr verschieden, so dass sich das Verfahren hinzog. Man merkte noch an, dass man mit der Trennung doch bis nach der Vereinigung von Pfarr- und Schlosskirchengemeinde warten solle. Im Jahr 1914 (!)  wurde zusätzlich die Forderung diskutiert, ob nicht auch Neu-Drewitz und Neu-Schaumburg aus ihren Kirchengemeinden herausgelöst und der neuen Gemeinde Cüstrin-Kietz unterstellt werden sollten. Damit war jedoch die Königliche Regierung in Frankfurt (Oder) nicht einverstanden. Nach einem Beschluss des Gemeindekirchenrats vom 30.08.1915 bat man das evangelische Konsistorium darum, den Vorgang bis nach dem Krieg ruhen zu lassen. Damit hatte sie diese Idee wohl auch erledigt. In späteren Jahren konnte ich keine Unterlagen mehr dazu finden.

Am 14.02.1936 wurde auf Anregung von Pfarrer Nagel und auf Anfrage des Stadtbauamtes Küstrin darüber beraten, ob im Keller des Pfarrhauses Küstrin-Kietz ein Gasschutz-Sammelraum mit 45 qm Größe und einem Fassungsvermögen von 25 Personen eingerichtet werden könnte. Unter den Bedingungen, dass der Gemeinde keine Kosten entstehen dürften und die Stadt für eventuelle spätere Bauschäden haften sollte, wurde dem zugestimmt. Auch die Stadt stimmte zu. Die Zeit drängte sehr, da die öffentliche Förderung an eine Fertigstellung bis zum 31.März des gleichen Jahres gebunden war. Die Arbeiten waren jedoch erst am 11. Juni 1936 beendet. Ob es zu Schwierigkeiten mit den Fördergeldern kam, ist aus den Akten nicht ersichtlich.

Ruine des Pfarrhauses in Küstrin-KietzDer Pläne zum Bau einer Kirche waren 1937 schon weit Fortgeschritten, so dass Bauraut Dr. Steinberg sich am 25. August des Jahres  über die Planungen selbst ein Bild vor Ort machen wollte. Vorentwürfe einer Kirche waren bereits 1914 durch  den oben bereits genannten Konsistorialrat Büttner angefertigt worden. Der Gemeindekirchenrat war dem aber eher Skeptisch eingestellt. Er bat um Verschiebung des Termins, da die Finanzierungsfrage noch nicht geklärt war und auch der genaue Standort der neuen Kirche noch nicht genau fest stand.

Die städtischen Pläne für den Straßenbau besagten, dass die Friedensstraße über das Kirchengrundstück bis zur Oldenburger Straße und anschließend bis auf die Chaussee nach Manschnow verlängert werden und damit zur neuen Hauptverkehrsstraße von Küstrin-Kietz werden sollte. Im Osten sollte die Friedensstraße an der Stelle, wo heute der Reitweiner Damm von der Karl-Marx-Straße abzweigt, auf die Straße zu den Oderbrücken treffen. Der Generalbebauungsplan musste aber noch vom entsprechenden Ministerium abgesegnet werden. Bereits 1935 hatte man sich einen alternativen Standort für die Kirche gesucht: Sie sollte vielleicht auch südlich der Kreuzung Lindenstraße und Kaiserstraße (heute Marktstraße), etwa auf der Höhe der ehemaligen Mülldeponie in Küstrin-Kietz gebaut werden.

 Die Hoffnung lag immer noch auf der Vereinigung mit der "kapitalkräftigen" Schlosskirchengemeinde, um damit den Kirchenneubau finanzieren zu können. Zum Kirchenbau kam es jedoch nicht mehr. Durch Kriegseinwirkung wurde das Pfarrhaus stark beschädigt, die Kapelle auf dem kommunalen Friedhof hatte ihr Dach eingebüßt. Mit Kriegsende endete auch erst einmal das normale kirchliche Leben.

Im Jahr 1949 trug der Superintendent des Kirchenkreises Seelow die Frage an Pfarrer Hans Neumann heran, ob er sich nicht vorstellen könne, in den Osten zu gehen und dort eine Gemeinde zu übernehmen. Im Januar 1950 nahm Pfarrer Neumann die Einladung an, um sich vor Ort erstmal einmal ein Bild der Lage zu machen. Den Zustand des Ortes beschrieb er wie folgt:

Die "Lange Vorstadt" Kietz, wie der Ort genannt wurde, sah nicht viel anders aus als 1945. Zu beiden Seiten der Straße hohe Schuttberge und Ruinen, so weit das Auge reichte. In den Ruinen aber wohnten Menschen. [...] Wir bogen in eine Seitenstraße ein. Straße war wohl geschmeichelt, obwohl es sicher mal eine Straße gewesen war. Ein verschlammter Weg, der glücklicherweise hart gefroren war. Nach etwa 100 Metern hielten wir an einer größeren Ruine, völlig in sich zusammengestürzt. Schutt lag bis zu den Fensterhöhlen in unvorstellbarer Menge.

Pfarrer Neumann beschreibt im obigen Zitat seine Fahrt durch die Chaussee- und Ziegeleistraße bis zum Pfarrhaus. Zu dieser Zeit stand der auf dem Foto abgebildete Missionswagen der Gossner Mission bereit auf dem Gelände. Die zwei Katecheten führten dort z.B. die Christenlehre für die Kinder des Ortes durch. Das Pfarrhaus sollte als Gemeindehaus wieder aufgebaut werden.  Pfarrer Neumann entschied sich erst einige Monate später dazu, die Gemeinde in Kietz zu übernehmen. Als es mit seiner Frau im September 1950 in der Superintendantur in Seelow eintraf, machte er seine ersten Erfahrungen mit "Männern in Lederjacke" - Mitarbeitern der Staatssicherheit. Nach einiger Zeit in Seelow ging er schließlich nach Küstrin-Kietz, das Gemeindehaus war nun ein Rohbau. Ende November wurde mit Eifer daran gearbeitet, das Haus winterfest zu machen. Als Bänke im Saal nutzte man aufgestapelte Steine mit Brettern darüber. Der Pfarrer hatte nun neben Küstrin-Kietz, Kuhbrücke, Neu-Bleyen und Alt-Bleyen auch Neuschaumburg mit zu versorgen. Die Gottesdienste waren voll. In Küstrin-Kietz und Bleyen wurden junge Gemeinden gegründet und es entstanden Frauen- und Männerkreise. Am 07.01.1951 wurde das neue Gemeindehaus eingeweiht. Um die Menschenmassen bei den Gottesdiensten unterbringen zu können, wurde zwischen dem Saal und einem kleinen weiteren Raum ein  Durchbruch geschaffen, um einen Kleinen Saal anzulegen. Die Beräumung des Schutts rings um das Gemeindehaus zog sich bis in den Herbst 1951 hin. Fließendes Wasser und eine Toilette gab es im Haus zu dieser Zeit noch nicht. Am 27.12.1951 kam die erste Bronzeglocke auf dem Güterbahnhof in Küstrin-Kietz an. Sie wurde mit einem feierlich geschmückten Wagen abgeholt, der wohl durch viele Menschen begleitet wurde. Brunnenbaumeister Walter baute zusammen mit seinem Sohn Horst und einigen Kirchenältesten (Becker, Neumann, Reichert,...) einen provisorischen Glockenstuhl. Zu Silvester 1951 wurde die Glocke erstmalig geläutet.

Um einen richtigen Glockenturm bauen zu können, bat man die Gemeindemitglieder, zu jedem Gottesdienst ein oder zwei Ziegelsteine mitzubringen - Ruinen gab es ja noch genug. Ein Herr Freigang, Maurer, aber bereits Rentner baute den Glockenturm mit Halterungen für zwei Glocken mit Hilfe vieler Gemeindemitglieder. Das fiel natürlich auch den "staatlichen Organen" auf, so dass eines Tages ein Brief vom Bürgermeister kam, in dem er fragte, woher den die Steine stammten. Man antwortete, die Gemeindemitglieder hätten sie mitgebracht  - damit hatte sich die Anfrage erledigt. Am 08.05.1953 bekam die Gemeinde die zweite Glocke, welche am 25. des gleichen Monats geweiht wurde.

Vor dem Krieg nahmen auch viele Küstrin-Kietzer am Missionsfest in Tamsel Teil. Man entschloss sich, die Tradition aufzunehmen und ein eigenes Fest durchzuführen: Das Kreis-Jugend-Missionsfest des Kirchenkreises Seelow. Auch die Stasi hörte von der Veranstaltung und war regelmäßig dabei anwesend. Zwischen 1952 und 1954 nahmen bis zu 800 Menschen am Fest teil.

Neu-Bleyen.

Zu Neu-Bleyen gibt es leider nicht viel zu sagen. Der Ort wurde nach der Zerstörung der Langen Vorstadt und des Dorfes Kietz um 1820 durch ehemalige Einwohner dieser Orte "auf Drewitzer Grund" gegründet. Alt-Bleyen war zu dieser Zeit nur ein königliches Gut und kein eigenständiger Ort. Den Namen Neu-Bleyen gaben die Einwohner dem Ort selbst. Ab Januar 1820 stritten sich der Pfarrer der Parochie Schaumburg, Wasserführer, und die königliche Regierung darüber, zu welchem Pfarrbezirk der neue Ort gehören sollte. Da der Ort auf Drewitzer Grund erbaut wurde, argumentierte der Pfarrer, sollter der Ort so wie auch Drewitz zur Parochie Schaumburg gehören. Am 06.04.1820 entschied die königliche Regierung in Frankfurt (Oder), dass Neu-Bleyen zum Pfarrbezirk Küstrin gehören sollte. Eine eigene Kirche hatte der Ort bis 1945 nicht, wo die Gottesdienste zwischen 1820 und 1945 statt fanden, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen.

Der Missionswagen der Gossner Mission aus Küstrin-Kietz wurde nach dem Wiederaufbau des Gemeindehauses dort nach Bleyen gebracht und auf dem Grundstück einer Frau Giebler abgestellt. Der Gottesdienst wurde in der Bleyener Schule durchgeführt.

In den späten 1950er Jahren wurde darüber nachgedacht, eine kleine Kapelle in in Neu-Bleyen zu bauen. Laut einem Schreiben an das Pfarramt in Kietz von 1958 sollte der Bau 19.500 DM kosten. Zu dieser Zeit stand aber auch schon die Idee im Raum, einfach nur eine Baracke zu bauen. Diese Variante wurde auch umgesetzt, obwohl schon ein Entwurf für die Kapelle existierte. Bei der Entscheidung zugunsten der Baracke und gegen eine Kapelle spielten mit Sicherheit auch der Mangel an Baumaterial und Fachkräften zu dieser Zeit in der DDR ein Rolle.  Nachdem die Bleyener sahen, dass es in Kietz zwei Glocken gab, wollten sie auch wenigstens eine haben. Man baute einen kleinen Glockenstuhl und hing daran eine ungenutzte Glocke auf, die bis dahin auf dem Gelände des ehemaligen Guts gelegen hatte.

 

Quellen:

  • Johann Christoph Bekmann: Von Stat und Veste Küstrin, ca. 1710
  • Historisches Portefeuille - Zur Kenntniß der gegenwärtigen und vergangenen Zeit, 5. Jahrgang, 2.Band, 1786, Seite 87 - 90: VIII Nachricht von den Inschriften auf die bisher unbekannt gewesenen fünf Särge , welche sich in der Gräflich-Dohnaschen Gruft in der Stadt-Pfarrkirche zu Cüstrin befinden. Aufgesetzt vor dem letzteren Bombardement  den 2ten Junii 1756. Mitgetheilt von dem Geheimen Legationsrath und Residenten zu Berlin Herrn Doct. Oelrichs (Google Books)
  • Chronik der Stadt Cüstrin, K. W. Kutschbach, 1849
  • Erinnerungen an den Markgraf Johann von Küstrin, Ein Vortrag von Dr. C. Büchsel, Berlin 1856
  • Die St. Marienkirche zu Cüstrin ein Gedenkblatt zur ersten Säkularfeier des jetzigen Kirchengebäudes am 19. Mai 1887
  • Die Auffindung der Fürstengruft in der Marienkirche zu Küstrin im Jahre 1880, Küstrin 1897, Nigmanns Buch- und Steindruckerei
  • Der Wiederaufbau der Küstrins nach dem russischen Bombardement, Prof. Dr. Gustav Berg, Marienburg, Schriften des Vereins für die Geschichte der Neumark, Nr. 7, 1903, Seiten 1 - 180
  • Die Hohenzollerngruft in der Pfarrkirche zur Cüstrin, Gustav Berg, Hohenzollernjahrbuch Nr. 10.1906, Seiten 130-137
  • Friedrich der Große und der Bau der Stadtkirche zu Cüstrin, Prof. Dr. Paul Schwarz, Schriften des Vereins für die Geschichte der Neumark, Nr. 21, 1908, Seiten 267 - 270
  • Die evangelischen Kirchen der Stadt Küstrin, Prof. Dr. Gustav Berg, Marienburg, Schriften des Vereins für die Geschichte der Neumark, Nr. 24, 1910, Seiten 1 - 33
  • Cüstrin vor 100 Jahren 1806 - 1812 von Prof. Dr. C. Fredrich
  • Die Stadt Cüstrin von C. Fredrich, 1913
  • Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Sonderdruck "Die Stadt Küstrin", 1927
  • Diverse Wohnungsanzeiger und Adressbücher der Stadt, Zeitraum 1883 bis 1939
  • Pfarrenbuch der Mark Brandenburg, Band 1, Verzeichnis der Pfarrstellen; Verlag E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1941
  • Küstrin - Die Stadt an Oder und Warthe 1232 - 1982.
  • "Gott zu Ehren und zum Seeligen gebrauch der gleübigen" - Eine Küstriner Goldschmiedearbeit des 17. Jahrhunderts, Ernst-Ludwig Richter, Kunst & Antiquitäten Nr. 1/1988
  • Ausstellungskatalog "Kriegsgericht in Köpenick! Anno 1730: Kronprinz - Katte - Königswort", Abschnitt 11.5.1 - 11.5.3, Seiten 197 bis 202, Berlin 2011
  • Unterlagen aus dem Evangelischen Landesarchiv Berlin (ELAB)
  • Marcus Conrad: Geschichte(n) und Geschäfte Die Publikation der "Allgemeinen Welthistorie" im Verlag Gebauer in Halle (1744 - 1814)
  • Drei Jahre in Küstrin-Kietz, Pfarrer Hans Neumann (1921 - 2002), 1999
  • Die evangelischen Kirchen der Stadt Küstrin, Prof. Dr. Gustav Berg, Marienburg, Schriften des Vereins für die Geschichte der Neumark